Hamburger Morgenpost

Aufgeschri­eben von Stefan Kruecken, Ankerherz

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Der Fachkräfte­mangel ist ein Thema in vielen Talkshows – immer wieder wird die Frage diskutiert, wie es gelingt, qualifizie­rte Mitarbeite­r in Betriebe zu bekommen. Ein Problem, was so ziemlich alle Branchen kennen – auch Gert, der Chef der „Haifisch Bar“. Wer am Tresen der Hafenbar arbeitet, muss ausschenke­n, aber eben auch einstecken können. Gert vergleicht die Rolle in manchen Nächten mit der eines Therapeute­n, der eher zufällig den Zapfhahn bedient. Manche Gäste wollen Probleme loswerden und suchen nicht nur Pils, sondern seelischen Zuspruch. Wer im „Hai“arbeitet, sollte daher die Zähigkeit eines Raubfischs haben. Ich erinnere mich an eine Nacht, in der Kalle Dienst hinter dem Tresen hatte. Eine Dame fiel den anderen Gästen mit einer gewissen Hochnäsigk­eit auf die Nerven. Als sie von der Toilette zurückkam, wartete Kalle einen Moment ab, um dann laut anzumerken: „Du warst aber lange weg. Ich hoffe, du hast das Fenster aufgemacht?“Einige Jahre ist es her, dass sich bei Gert eine Frau mit langen, schwarzen Haaren und Verzierung­en in der Haut als „Tattoo-Lilly“vorstellte und nach einem Job fragte. Er gab ihr den Job und zunächst schien alles gut. Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich ein Stammgast am Telefon meldete. „Komm schnell! Hier rennt ein Leguan durch die Bar! Sechzig Zentimeter, mindestens.“„Bitte was?“„Die Tresenfrau sagt, das sei normal. Ist ihr Haustier.“ Gert setzte sich ins Auto und fuhr in den „Hai“. Die neue Tresenkraf­t stand vor der Tür und rauchte. Aber keine Zigarette, sondern einen Joint. Es gibt nicht viele Momente, in denen man Gert Schlufter, den alten Sankt Paulianer, sprachlos erlebt. Dies aber war einer. Nachdem das Ganze etwas gesackt war, gab er der Frau eine Empfehlung auf den Weg: Sie möge es beruflich doch lieber in Hagenbecks Tierpark versuchen.

Hier erzählen wir jeden Sonnabend eine Geschichte aus der „Haifisch-Bar“. Haben Sie auch eine für uns? Melden Sie sich: haifischba­r@mopo.de oder haifischba­r@ankerherz.de

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