Hamburger Morgenpost

Trump, Krawalle und Widerstand

Alles, was Hamburger über den Gipfel wissen müssen, der unsere Stadt in Atem hält

- Von MIKE SCHLINK

In drei Monaten steht Hamburg kopf. Am 7. und 8. Juli treffen sich hier die wichtigste­n Regierungs­chefs der Welt zum G20Gipfel – unter ihnen auch Reizfigure­n wie Trump, Putin und Erdogan. Das Gelände rund um die Messe wird zur Sicherheit­szone mit Straßenspe­rrungen und Ausgehverb­ot, Zehntausen­de Demonstran­ten werden erwartet. Kurz: Es wird heiß in der Stadt! Mit brennenden Autos und Gewaltdroh­ungen gab es in den vergangene­n Tagen bereits einen ersten Vorgeschma­ck. Die MOPO am Sonntag hat alles über den Gipfel zusammenge­tragen, der Hamburg schon jetzt in Atem hält. Hintergrun­d: Deutschlan­d hat aktuell die G20-Präsidents­chaft inne und ist damit für die diesjährig­e Ausrichtun­g des Gipfels zuständig. Da nur Großstädte den Anforderun­gen nach Sicherheit, Verkehr und Logistik gerecht werden können, hat sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in Absprache mit Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) für die Hansestadt als Austragung­sort entschiede­n. „Die Stadt ist seit jeher Deutschlan­ds Tor zur Welt“, sagt Merkel.

Laut Scholz verpflicht­et die Hamburger Verfassung, „dazu beizutrage­n, dass es ein gutes Miteinande­r in der Welt gibt“. Genau darum geht es beim Gipfel. Themen wie Terrorismu­s, Migrations- und Fluchtbewe­gungen, Armut und Hunger, geopolitis­che Konflikte, Epidemien und Klimawande­l stehen auf der Agenda. Auch weil nicht alle Staaten dieser Welt in die Diskussion­en eingebunde­n werden, wird es in der Stadt massive Proteste geben.

Großdemos und viel Polizei

Wie wird protestier­t? Extrem unterschie­dlich. Am 6. Juli findet zum Beispiel das „Global Citizen Festival“in der Barclaycar­d-Arena statt – mit Stars wie Coldplay und Herbert Grönemeyer. Nahezu zeitgleich haben Aktivisten der Roten Flora die antikapita­listische VorabendDe­mo „G20 Welcome To Hell“angemeldet. Brisant: Rund 4000 gewaltbere­ite Demonstran­ten aus ganz Europa werden hier erwartet. Am 7. Juli wird es zudem einen Aktionstag autonomer Gruppen mit vielen unterschie­dlichen Aktionen wie Sitzblocka­den geben. Für den 8. Juli ist eine Mega-Demo mit mehr als 100000 – überwiegen­d friedliche­n – Teilnehmer­n angemeldet, die teilweise mit Sonderzüge­n anreisen. Ob und wo diese Demo stattfinde­n wird, ist seit Freitag jedoch ungewiss: Laut Demo-Veranstalt­er Jan van Aken (Linke) plant die Polizei offenbar eine demonstrat­ionsfreie Zone in der kompletten Innenstadt, damit die Gipfel-Teilnehmer freie Korridore zum Flughafen haben. Die Polizei wollte diese Pläne nicht bestätigen oder dementiere­n. Es wird aber Sicherheit­szonen geben. Wie sehen die Sicherheit­szonen aus? Laut Innenbehör­de werden sie im Wesentlich­en aussehen ie beim OSZE-Ministertr­effen m Dezember vergangene­n Jahs. Sprich: Die Messehalle­n werden zum Zentrum des ipfels – und zur Schutzzoe 1. Dort findet das Treffen unter strenger Bewachung statt. Nur wer eine Zugangsber­echtigung hat, kommt auch in die Hallen. Wirklich betroffen sind die Hamurger allerdings von er größeren zweiten icherheits­zone: An ehreren Straßen – arunter die Lagerstraß­e, die Karolinens­traße, die Sternschan­ze und die Vorwerkstr­aße – gibt es ein Durchkomme­n ehr, weil sie die weite Sicherheit­szobegrenz­en. Aus Verltungsg­ründen wird Zone Richtung Planun Blomen ausgewei. m Rathaus wird keine erheitszon­e eingericht­et – für an der Elbphilhar­monie. Die Bundesregi­erung plant hier eine Veranstalt­ung für die Staatschef­s – ob Essen, Tagung oder Konzert-Besuch ist bislang unklar. Fakt ist: Die Sicherheit­skräfte werden Hamburgs neues Wahrzeiche­n abriegeln. Wie viele Polizisten sind im Einsatz? Genaue Einsatzpla­nungen gibt es angeblich noch nicht. Die MOPO am Sonntag weiß jedoch: 15 000 bis 20 000 Beamte werden für die Sicherheit sorgen. Ein „Vorbereitu­ngsstab“der Polizei arbeitet bereits in Alsterdorf. Chef ist Hartmut

Dudde, der leitende Polizeidir­ektor, der auch schon den OSZE-Einsatz betreut hat. Erste Einheiten anderer Bundesländ­er sind bereits in der Stadt – aus Hessen oder Berlin beispielsw­eise. Sie sind für den „Objektschu­tz“an der Messe, vor Polizeigeb­äuden und in der City zugeteilt. Denn schon jetzt knallt es in der Stadt immer wieder. ➤ Wie schätzt die Polizei die Lage

ein? Die Polizei rechnet mit dem Schlimmste­n – in einem internen Lagepapier werden selbst Tote nicht ausgeschlo­ssen. Einen Vorgeschma­ck gab es in den vergangene­n Tagen: Mehrere Polizeiaut­os wurden angezündet, reiche Bewohner in Blankenese von gewaltbere­iten Aktivisten bedroht. Die Gipfel-Gegner würden das Treffen als Plattform nutzen wollen, da die Weltöffent­lichkeit zuschaue, sagt Innensenat­or Andy Grote (SPD). Er versucht aber auch zu beruhigen: „Niemand muss Angst haben und die Stadt verlassen.“Im größten Teil der Stadt würde man nichts vom Treffen und den Protesten mitbekomme­n – wenngleich die Polizei in der gesamten Stadt Sabotageak­te befürchtet. Aktivisten könnten beispielsw­eise versuchen, Ziele wie den Hafen, den Flughafen oder den Hauptbahnh­of lahmzulege­n.

Die Folgen für den Alltag

➤ Was bedeutet der Gipfel für die Hamburger? Bewohner in der Nähe der Messehalle­n müssen sich auf mindestens zwei spezielle Tage gefasst machen. „Sie werden sich im Wesentlich­en auf die Gegebenhei­ten einstellen müssen, die sie bereits beim OSZE-Treffen vorgefunde­n haben“, sagt ein Sprecher der Innenbehör­de. Er rät Anwohnern, sich „bei G20 analog zum OSZETreffe­n“zu verhalten. Für die Bewohner des Mehrfamili­enhauses an der Karolinens­traße, das in der Sicherheit­szone liegt, bedeutet das: Passkontro­llen. ➤ Wie bereiten sich Schulen und Kitas in der Umgebung vor? Laut Schulbehör­de gibt’s im Hinblick auf die staatliche­n Schulen noch keine Entscheidu­ng über Unterricht­sausfall. Anders sieht es bei den privaten Schulen aus: In der Sophie-Barat-Schule an der Warburgstr­aße wird am 6. und 7. Juli der Unterricht ausfallen – es gibt stattdesse­n einen Wandertag und ein Sportfest. Die Elbkinder-Kita Glashütten­straße hat am 6. und 7. Juli geschlosse­n. In der Ganztagssc­hule Sternschan­ze herrscht noch Unklarheit. Beim OSZE-Treffen im vergangene­n Jahr hatten Eltern ihre Kinder zu Hause gelassen – mit Erlaubnis der Schulleitu­ng. Weil es im Anschluss deswegen Zoff mit der Behörde gab, wird derzeit nach einer klaren Regelung gesucht. ➤ Was planen Firmen und Läden?

Auch hier gibt es unterschie­dliche Herangehen­sweisen. Der Fahrradlad­en „27 Räder“an der Glashütten­straße macht die ganze Gipfel-Woche dicht. „Eine Woche kompletter Verdiensta­usfall“, schimpft Frank Hagedorn-Collasius. „Die hätten ihren Gipfel lieber auf einem Flugzeugtr­äger machen sollen.“Auch das Möbelgesch­äft „Lokaldesig­n“am Schulterbl­att schließt an den Gipfeltage­n, die laut Inhaberin die zwei umsatzstär­ksten Tage der Woche seien. „Wir Ladenbesit­zer können es fast als Sieg feiern, wenn während des Gipfels alle Schaufenst­er heil bleiben.“ Auch der Getränkeha­ndel „St. Pauli-Perle“an der Glashütten­straße denkt an Schließung „Wenn die Sicherheit­szonen bis zur Feldstraße erweitert werden, werden wir schließen. Wenn sie so bleiben, werden wir geöffnet haben. Aber auch so können wir an den Tagen wegen der Schließung der FloraNeuma­nn-Straße nicht beliefert werden und haben dadurch

 ??  ?? 19 Staats- und Regierungs­chefs treffen sich am 7. und 8. Juli in Hamburg, darunter natürlich auch Donald Trump (o. r.), Wladimir Putin (u. r.) und Recep Tayyip Erdogan. Gipfel-Gastgeberi­n ist Angela Merkel. Der Sicherheit­saufwand ist enorm.
19 Staats- und Regierungs­chefs treffen sich am 7. und 8. Juli in Hamburg, darunter natürlich auch Donald Trump (o. r.), Wladimir Putin (u. r.) und Recep Tayyip Erdogan. Gipfel-Gastgeberi­n ist Angela Merkel. Der Sicherheit­saufwand ist enorm.
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