Trump, Krawalle und Widerstand
Alles, was Hamburger über den Gipfel wissen müssen, der unsere Stadt in Atem hält
In drei Monaten steht Hamburg kopf. Am 7. und 8. Juli treffen sich hier die wichtigsten Regierungschefs der Welt zum G20Gipfel – unter ihnen auch Reizfiguren wie Trump, Putin und Erdogan. Das Gelände rund um die Messe wird zur Sicherheitszone mit Straßensperrungen und Ausgehverbot, Zehntausende Demonstranten werden erwartet. Kurz: Es wird heiß in der Stadt! Mit brennenden Autos und Gewaltdrohungen gab es in den vergangenen Tagen bereits einen ersten Vorgeschmack. Die MOPO am Sonntag hat alles über den Gipfel zusammengetragen, der Hamburg schon jetzt in Atem hält. Hintergrund: Deutschland hat aktuell die G20-Präsidentschaft inne und ist damit für die diesjährige Ausrichtung des Gipfels zuständig. Da nur Großstädte den Anforderungen nach Sicherheit, Verkehr und Logistik gerecht werden können, hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Absprache mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) für die Hansestadt als Austragungsort entschieden. „Die Stadt ist seit jeher Deutschlands Tor zur Welt“, sagt Merkel.
Laut Scholz verpflichtet die Hamburger Verfassung, „dazu beizutragen, dass es ein gutes Miteinander in der Welt gibt“. Genau darum geht es beim Gipfel. Themen wie Terrorismus, Migrations- und Fluchtbewegungen, Armut und Hunger, geopolitische Konflikte, Epidemien und Klimawandel stehen auf der Agenda. Auch weil nicht alle Staaten dieser Welt in die Diskussionen eingebunden werden, wird es in der Stadt massive Proteste geben.
Großdemos und viel Polizei
Wie wird protestiert? Extrem unterschiedlich. Am 6. Juli findet zum Beispiel das „Global Citizen Festival“in der Barclaycard-Arena statt – mit Stars wie Coldplay und Herbert Grönemeyer. Nahezu zeitgleich haben Aktivisten der Roten Flora die antikapitalistische VorabendDemo „G20 Welcome To Hell“angemeldet. Brisant: Rund 4000 gewaltbereite Demonstranten aus ganz Europa werden hier erwartet. Am 7. Juli wird es zudem einen Aktionstag autonomer Gruppen mit vielen unterschiedlichen Aktionen wie Sitzblockaden geben. Für den 8. Juli ist eine Mega-Demo mit mehr als 100000 – überwiegend friedlichen – Teilnehmern angemeldet, die teilweise mit Sonderzügen anreisen. Ob und wo diese Demo stattfinden wird, ist seit Freitag jedoch ungewiss: Laut Demo-Veranstalter Jan van Aken (Linke) plant die Polizei offenbar eine demonstrationsfreie Zone in der kompletten Innenstadt, damit die Gipfel-Teilnehmer freie Korridore zum Flughafen haben. Die Polizei wollte diese Pläne nicht bestätigen oder dementieren. Es wird aber Sicherheitszonen geben. Wie sehen die Sicherheitszonen aus? Laut Innenbehörde werden sie im Wesentlichen aussehen ie beim OSZE-Ministertreffen m Dezember vergangenen Jahs. Sprich: Die Messehallen werden zum Zentrum des ipfels – und zur Schutzzoe 1. Dort findet das Treffen unter strenger Bewachung statt. Nur wer eine Zugangsberechtigung hat, kommt auch in die Hallen. Wirklich betroffen sind die Hamurger allerdings von er größeren zweiten icherheitszone: An ehreren Straßen – arunter die Lagerstraße, die Karolinenstraße, die Sternschanze und die Vorwerkstraße – gibt es ein Durchkommen ehr, weil sie die weite Sicherheitszobegrenzen. Aus Verltungsgründen wird Zone Richtung Planun Blomen ausgewei. m Rathaus wird keine erheitszone eingerichtet – für an der Elbphilharmonie. Die Bundesregierung plant hier eine Veranstaltung für die Staatschefs – ob Essen, Tagung oder Konzert-Besuch ist bislang unklar. Fakt ist: Die Sicherheitskräfte werden Hamburgs neues Wahrzeichen abriegeln. Wie viele Polizisten sind im Einsatz? Genaue Einsatzplanungen gibt es angeblich noch nicht. Die MOPO am Sonntag weiß jedoch: 15 000 bis 20 000 Beamte werden für die Sicherheit sorgen. Ein „Vorbereitungsstab“der Polizei arbeitet bereits in Alsterdorf. Chef ist Hartmut
Dudde, der leitende Polizeidirektor, der auch schon den OSZE-Einsatz betreut hat. Erste Einheiten anderer Bundesländer sind bereits in der Stadt – aus Hessen oder Berlin beispielsweise. Sie sind für den „Objektschutz“an der Messe, vor Polizeigebäuden und in der City zugeteilt. Denn schon jetzt knallt es in der Stadt immer wieder. ➤ Wie schätzt die Polizei die Lage
ein? Die Polizei rechnet mit dem Schlimmsten – in einem internen Lagepapier werden selbst Tote nicht ausgeschlossen. Einen Vorgeschmack gab es in den vergangenen Tagen: Mehrere Polizeiautos wurden angezündet, reiche Bewohner in Blankenese von gewaltbereiten Aktivisten bedroht. Die Gipfel-Gegner würden das Treffen als Plattform nutzen wollen, da die Weltöffentlichkeit zuschaue, sagt Innensenator Andy Grote (SPD). Er versucht aber auch zu beruhigen: „Niemand muss Angst haben und die Stadt verlassen.“Im größten Teil der Stadt würde man nichts vom Treffen und den Protesten mitbekommen – wenngleich die Polizei in der gesamten Stadt Sabotageakte befürchtet. Aktivisten könnten beispielsweise versuchen, Ziele wie den Hafen, den Flughafen oder den Hauptbahnhof lahmzulegen.
Die Folgen für den Alltag
➤ Was bedeutet der Gipfel für die Hamburger? Bewohner in der Nähe der Messehallen müssen sich auf mindestens zwei spezielle Tage gefasst machen. „Sie werden sich im Wesentlichen auf die Gegebenheiten einstellen müssen, die sie bereits beim OSZE-Treffen vorgefunden haben“, sagt ein Sprecher der Innenbehörde. Er rät Anwohnern, sich „bei G20 analog zum OSZETreffen“zu verhalten. Für die Bewohner des Mehrfamilienhauses an der Karolinenstraße, das in der Sicherheitszone liegt, bedeutet das: Passkontrollen. ➤ Wie bereiten sich Schulen und Kitas in der Umgebung vor? Laut Schulbehörde gibt’s im Hinblick auf die staatlichen Schulen noch keine Entscheidung über Unterrichtsausfall. Anders sieht es bei den privaten Schulen aus: In der Sophie-Barat-Schule an der Warburgstraße wird am 6. und 7. Juli der Unterricht ausfallen – es gibt stattdessen einen Wandertag und ein Sportfest. Die Elbkinder-Kita Glashüttenstraße hat am 6. und 7. Juli geschlossen. In der Ganztagsschule Sternschanze herrscht noch Unklarheit. Beim OSZE-Treffen im vergangenen Jahr hatten Eltern ihre Kinder zu Hause gelassen – mit Erlaubnis der Schulleitung. Weil es im Anschluss deswegen Zoff mit der Behörde gab, wird derzeit nach einer klaren Regelung gesucht. ➤ Was planen Firmen und Läden?
Auch hier gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Der Fahrradladen „27 Räder“an der Glashüttenstraße macht die ganze Gipfel-Woche dicht. „Eine Woche kompletter Verdienstausfall“, schimpft Frank Hagedorn-Collasius. „Die hätten ihren Gipfel lieber auf einem Flugzeugträger machen sollen.“Auch das Möbelgeschäft „Lokaldesign“am Schulterblatt schließt an den Gipfeltagen, die laut Inhaberin die zwei umsatzstärksten Tage der Woche seien. „Wir Ladenbesitzer können es fast als Sieg feiern, wenn während des Gipfels alle Schaufenster heil bleiben.“ Auch der Getränkehandel „St. Pauli-Perle“an der Glashüttenstraße denkt an Schließung „Wenn die Sicherheitszonen bis zur Feldstraße erweitert werden, werden wir schließen. Wenn sie so bleiben, werden wir geöffnet haben. Aber auch so können wir an den Tagen wegen der Schließung der FloraNeumann-Straße nicht beliefert werden und haben dadurch