Hamburger Morgenpost

„Wer zweifelt, kann auf der Couch bleiben“

Werder-Trainer kommt aus Buxtehude, war aber nie HSV-Fan Halb-Iraner spricht über seine Wurzeln – und das Nordderby

- Das Interview führte FREDERIK AHRENS

Am Sonnabend war er ein letztes Mal vor dem Derby in Hamburg. Ein Kaffee in der Schanze, ein Treffen mit Freunden. „Aber angesproch­en hat mich dort niemand“, sagt Alexander Nouri, dem zurzeit in Bremen alle Herzen zufliegen. „Nouri-LiebeZählt“, heißt es an der Weser. Für die MOPO nahm sich der 37-Jährige, der 20 Punkte aus den vergangene­n acht Spielen holte, ausführlic­h Zeit, um über das Nordderby, seine iranischen Wurzeln und kleine Unglücke mit seinem Hund zu sprechen.

MOPO: Herr Nouri, Sie sind in Buxtehude aufgewachs­en – keine 40 Kilometer vom Volksparks­tadion entfernt. Für welchen Verein hat Ihr Herz in Ihrer Kindheit geschlagen? Alexander Nouri:

Immer für den Verein, der gerade abends im Europapoka­l gespielt hat. Dann durfte ich nämlich langer aufbleiben und das Spiel mit meinem Vater schauen. Natürlich war ich auch mal als Zuschauer im Volksparks­tadion, aber ich war nie echter Fan eines Vereins. Ich habe keine Autogramme gesammelt oder Trikots gekauft.

In der C-Jugend haben Sie für Vorwärts-Wacker Billstedt gespielt. Wäre es nicht logisch gewesen, wenn der HSV der nächste Schritt gewesen wäre?

Vielleicht, ja. Aber da war Thomas Schaaf etwas schneller. Ich hatte damals an den Talent-Tagen bei Werder teilgenomm­en. Danach hat mir Schaaf einen Weg aufgezeigt, den ich sehr interessan­t fand und der mich letztlich auch sehr geprägt hat.

23 Jahre ist es her, dass Sie sich für Werder entschiede­n haben. 2014 sind Sie nach 13 Jahren Pause als Trainer nach Bremen zurückgeke­hrt. Weil Sie Werder immer im Herzen hatten?

Ich war bei Werder im Internat, ich bin bei Werder Profi geworden, ich habe meine Frau in Bremen kennengele­rnt. Bremen und Werder, das ist mein Zuhause.

Sie haben in dieser Saison schon zweimal Serien überstande­n, in denen Sie vier Spiele in Folge verloren haben. Zu welchem Zeitpunkt hatten Sie Angst um Ihren Job?

Nie. Gemeinsam mit meinem Trainertea­m war ich immer von unserer Arbeit überzeugt.

Spricht man mit der Frau nicht darüber: Mensch, was passiert, wenn wir das nächste „Endspiel“verlieren?

Wissen Sie, diese Diskussion­en gehören doch dazu, wenn man sich für dieses Geschäft entscheide­t. Das sind die Mechanisme­n. Und das wusste ich doch auch, als ich den Job angenommen habe. Das war also kein großes Problem.

Vor dem letzten Nordderby hat Sie Tim Wiese als planlos kritisiert. Hat Sie das getroffen?

Überhaupt nicht.

Hat er sich irgendwann dafür entschuldi­gt?

Nein. Wir haben keinen Kontakt.

Was hat Ihnen geholfen, um sich aus diesen Krisen zu befreien?

Wir haben nie die Nerven verloren, waren auch in Zeiten, in denen die Ergebnisse nicht gestimmt haben, davon überzeugt, dass unser Weg der richtige ist.

Ihr Vertrag läuft am Saisonende aus. Haben schon andere Klubs bei Ihnen angeklopft? Für mich zählt nur Plan A – und das ist Werder.

Wann werden Sie verlängern?

Wir setzen uns zusammen, wenn wir den Klassenerh­alt

geschafft haben.

Ihr Vater ist Iraner. 2005 sind Sie mit ihm durch sein Heimatland gereist. Was haben Sie von dieser Reise mitgenomme­n?

Es war mir extrem wichtig, die Kultur des Irans kennenzule­rnen. Ich war damals auf der Suche nach meiner Identität. Diese Reise war sehr erfüllend und bereichern­d für mich.

Gibt es etwas an Ihnen, das typisch Persisch ist?

Die Kultur und die Sprache sind sehr gefühlvoll, sehr empathisch. Viele Begriffe sind emotional so tiefgreife­nd, dass man Sie ins Deutsche gar nicht übersetzen kann. Diese Offenheit der Menschen, die ist mir sehr nah.

1999 sind mit Mehdi Mahdavikia und Vahid Hashemian zwei Iraner zum HSV gewechselt. Haben Sie die beiden damals besonders verfolgt?

Ja. Mit Vahid bin ich nach wie vor sehr eng befreundet. Wir besuchen uns regelmäßig. Auch dank ihm bin ich also häufiger in Hamburg.

Sie engagieren sich aktiv für ein afghanisch­es Flüchtling­sprojekt. Wie kam es dazu?

Ich habe in Oldenburg mit Mansur Faqiryar, einem Torwart, der aus Afghanista­n stammt, zusammenge­spielt. Nach einer Reise in seine Heimat hat er mir Bilder gezeigt, von Waisenhäus­ern. Uns beiden wurde damals klar, dass wir etwas tun möchten. Mansur hat dann eine Stiftung gegründet, die ich sehr gerne unterstütz­e.

Wie sieht Ihre Hilfe aus?

Hier vor Ort bieten wir zum Beispiel Fußballtra­ining für Flüchtling­e an. Durch den Sport lernen die Kinder und Jugendlich­en Werte wie Fairness kennen, die für das soziale Miteinande­r extrem wichtig sind. Ich habe das selbst erfahren und möchte nun auch etwas zurückgebe­n.

Sie haben eine unglaublic­h positive Ausstrahlu­ng. Gibt es nichts, was Sie auf die Palme bringen kann?

(überlegt lange) Doch. Wir haben einen kleinen Hund, der noch nicht ganz stubenrein ist. Und wenn dem zu Hause ein kleines Malheur passiert, das ich beseitigen muss, dann kann mich das schon mal auf die Palme bringen.

Sind Sie ein Kumpeltyp für Ihre Spieler?

Nein. Wir haben eine gute, enge Bindung, aber für mich ist es unheimlich wichtig, dass ich gleichzeit­ig eine gesunde Distanz zu den Spielern habe. Ich möchte durch Argumente überzeugen, nicht, weil ich ein netter Typ bin.

Fällt es Ihnen schwer, Spieler enttäusche­n zu müssen?

Nein. Ein ehrliches Feedback hilft dem Spieler ja. Wichtig ist, dass man dabei respektvol­l miteinande­r umgeht.

Sie waren 13 Jahre nicht bei Werder. Von 2001 bis 2014. Aaron Hunt war 13 Jahre bei Werder. Von 2001 bis 2014. Haben sich Ihre Wege trotzdem irgendwann gekreuzt?

Nein, leider nie.

Ist es ein Schlüssel dieses Derbys, ihn auszuschal­ten?

Er ist in einer sehr guten Verfassung und bringt eine unheimlich große Qualität mit. Aber das gilt zurzeit für die gesamte Mannschaft des HSV. Es wird nicht einfach. Aber trotzdem glauben wir daran, dieses Spiel zu gewinnen. Wer daran zweifelt, kann auch direkt auf der Couch bleiben.

Was bedeutet das Derby für Sie?

Dieses Spiel ist doch für jeden etwas ganz Besonderes. Das ist für mich als Trainer nicht anders als für die Spieler. Aber es geht dann am Sonntag weniger um die Historie als um die aktuelle Brisanz. Beide Teams kämpfen noch um den Klassenerh­alt. Und außerdem wollen wir natürlich am Ende der Saison unbedingt vor dem HSV liegen.

Und Sie sind Derby-Experte. Mit Werders Reserve haben Sie gegen den HSV in 13 Spielen achtmal gewonnen und drei Tore geschossen. Gegen keinen anderen Verein gelang Ihnen das häufiger.

Echt? Die Statistik kannte ich gar nicht. Aber für das Spiel am Sonntag wird das leider in keiner Form entscheide­nd sein.

Wenn Sie vor der Wahl stünden: Derbysieg oder ein Platz in der Europa League, was würden Sie nehmen?

Für uns ist das primäre Zahl der Klassenerh­alt. Mit anderen Dingen beschäftig­en wir uns nicht.

Dürften die Spieler denn nach einem Derbysieg Richtung Europa schielen?

In Ihrer Frage steckt mir zu viel Spekulatio­n. Wir wissen, dass wir für den HSV eine Top-Leistung brauchen und dafür werden wir bereit sein.

„Aaron Hunt ist in einer sehr guten Verfassung.“

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Alexander Nouri (Kreis) auf einem Mannschaft­sbild des Buxtehuder SV aus der Saison 1992/93. In der C-Jugend kickte er für Vorwärts-Wacker Billstedt. Der Werder-Trainer in seinem Element. Alexander Nouri hat es geschafft, die Bremer aus dem Keller zu...
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Sie sind so stolz auf ihren Sohn: Mutter Regina und Vater Alexander Nouri Senior zeigen Bilder aus den Jugendzeit­en ihres Sprössling­s in Buxtehude.

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