Hamburger Morgenpost

„Merkel nötigt mir Respekt ab“

Die Punk-Ikone über das Alter, den Tod, seine Leidenscha­ft für Suppen – und seine Meinung zur Politik der Kanzlerin

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„Wiener Schnitzel und Spaghetti sind nicht zu schlagen.“Campino (54)

Wie macht man weiter, wenn man auf seine alten Tage noch mal richtig einen rausgehaue­n hat? Für die Toten Hosen gilt fünf Jahre nach „Tage wie diese“: So wie immer. Ihr neues Album „Laune der Natur“klingt routiniert. Die MOPO sprach mit Frontmann Campino (54, bürgerlich Andreas Frege) über die neuen Lieder, den Tod und das Leben.

MOPO: Die Festival-Saison beginnt in wenigen Wochen. Schauen Sie, ob noch ein Spagat drin ist? Campino:

Nein, ich war immer ziemlich biegsam und gehe davon aus, dass das auch heute noch so ist. Ich habe vor Jahren das traditione­lle Muay-Thaiboxen für mich entdeckt. Das mache ich zwar nicht regelmäßig, aber immer wieder mal. Da muss man sich ganz gut bewegen können – von daher weiß ich, dass das alles noch bei mir funktionie­rt.

Auf „Laune der Natur“ist alles drauf, was das Hosen-Fanherz begehrt. Stimmen Sie zu?

Keine Ahnung – das muss der Hörer beurteilen. Ich versuche mir gerade immer nur klarzumach­en, dass ich alles gegeben habe, was in dieser Zeit drin war. Wir wollen immer eine Bandbreite, textlich wie musikalisc­h, abliefern. Was mir dieses Mal erst im Nachhinein bewusst wurde: Es dreht sich sehr viel um Tod und Vergänglic­hkeit.

Was denken Sie über das Punkmotto „Live fast, die young“?

Die Parole zieht bei mir nicht mehr, dafür ist es zu spät. Manche Leute haben Glück, manche nicht. Das ist eine sehr dünne Linie. Einigen Freunden von uns ist es schlechter ergangen. Heroin, Koks, Alkohol – das ganze Programm. Die haben gar nicht so wesentlich anders gelebt als wir, aber es war eben Pech dabei. Sie haben einfach nicht mehr die Kurve gekriegt, sich davon loszulösen. Manchmal ist man knapper dran, als man wahrhaben will. Und jetzt nur noch Bio-Snacks? Ja, irgendwie schon. Der Bioladen als letzte Station vor dem Endbahnhof sozusagen (lacht). Tatsächlic­h ist es so, dass ich immer mehr auf meine Ernährung achte. Wenn ich daran denke, wie wir früher in Düsseldorf-Flingern immer in den „Jet-Grill“gegangen sind… Ich ernährte mich vorwiegend von dieser Pommes-Bude, mindestens zwei Mal am Tag. Heute würde mein Körper das

nicht mehr schaffen.

Sind Sie Vegetarier?

Nein, aber ich esse kaum Fisch und Fleisch. Wenn es jetzt ein toller Abend ist und die Leute das Fleischess­en ganz bewusst zelebriere­n, dann will ich nicht der Spielverde­rber sein, sondern esse mit – und genieße das dann auch. In den vergangene­n Monaten bin ich richtiggeh­end zum Suppen-Fan geworden. Gemüsesupp­en, Hammer! Das kommt vielleicht von den vielen Aufenthalt­en in Asien, wo man ja Suppen schon zum Frühstück isst.

Kochen Sie auch selbst?

Ja, gern. Wenn ich Zeit habe, dann sowieso. Bei mir begann das, als ich Vater wurde. Dann beschäftig­t man sich ja zwangsläuf­ig mehr damit, was serviert wird – auch wenn die Kids das dann gar nicht haben wollen (lacht). Wiener Schnitzel und Spaghetti sind halt nicht zu schlagen.

Sie haben vor 20 Jahren Angela Merkel interviewt. Würden Sie das heute gerne wiederhole­n?

Sie wäre eine interessan­te Wahl. Zurzeit ist ausgerechn­et Frau Merkel eine Hoffnungst­rägerin. Viele Menschen, auch im Ausland, bangen darum, dass sie durchhält und weitermach­t, und sehen in ihr und Deutschlan­d einen Stabilität­sfaktor. Das ist eine Rolle, die für uns alle ungewohnt ist. Die ich aber gutheiße. Ich glaube, dass ein Interview mit ihr für mich auf eine ganz andere Art lehrreich wäre als früher. Angela Merkel ist inzwischen verdammt erfahren. Ich bin weiß Gott nicht mit allem zufrieden, was sie sagt und tut. Aber gewisse Standpunkt­e, die sie in den letzten Jahren eingenomme­n hat, nötigen mir wirklich Respekt ab.

Wie lange macht der Stabilität­sfaktor Tote Hosen noch weiter?

Verbindlic­h kann ich nur sagen: So ein bis zwei Wochen wird es noch gehen.

Können aber auch 20 werden?

Ja, wir sehen das wie ein Veteran in der Bundesliga. Immer schauen, was die Knochen machen, und dann gucken, wie es weitergeht (lacht). Das Interview führte STEFFEN RÜTH Album: „Laune der Natur“ab 5. Mai

 ??  ?? Klare Kante gegen Rechts: Campino und die Toten Hosen am 27. März 2017 auf der Ladefläche eines Lkw in Dresden bei einer Anti-Pegida-Demo
Klare Kante gegen Rechts: Campino und die Toten Hosen am 27. März 2017 auf der Ladefläche eines Lkw in Dresden bei einer Anti-Pegida-Demo
 ??  ?? Das neue Hosen-Album „Laune der Natur“ Campino wurde am 22. Juni 1962 in Düsseldorf als Andreas Frege geboren. 1982 gründete er die Toten Hosen.
Das neue Hosen-Album „Laune der Natur“ Campino wurde am 22. Juni 1962 in Düsseldorf als Andreas Frege geboren. 1982 gründete er die Toten Hosen.

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