Hamburger Morgenpost

Was ist gut gegen die Wut?

Experten-Rat: Wie Eltern bei Stress mit ihrem Kind die Nerven behalten

- KR

Berlin – Die Szene kennen Eltern: Das Kind bockt und schreit, die Wut wächst. Manchmal setzen Eltern sich dann mit Gewalt durch. Weil sie sich nicht anders zu helfen wissen. „Das Schlagen von Kindern ist ein Hinweis auf die Hilflosigk­eit der Eltern“, so Heinz Zschache vom Kinderschu­tzbund Sachsen.

Mit dem heutigen „Tag der gewaltfrei­en Erziehung“will der Kinderschu­tzbund daran erinnern, dass Kinder ein Recht darauf haben, ohne seelische und physische Gewalt aufzuwachs­en. Das ist seit November 2000 auch im Bürgerlich­en Gesetzbuch verankert.

Glückliche­rweise finden viele Eltern körperlich­e Züchtigung nicht mehr akzeptabel. Sie werde zunehmend als erzieheris­ch schädlich angesehen, sagt der Hallenser Professor für Strafrecht und Kriminolog­ie Kai Bussmann, der Gewalt in der Erziehung erforscht. Die Hand rutsche nur noch in Stresssitu­ationen aus. Der aktuelle Anstieg von Armut auch hierzuland­e birgt für den Wissenscha­ftler allerdings einen Stressfakt­or in sich, der wieder zu einem Anstieg von Gewalt führen könne.

Wie Eltern auch in stressigen Situatione­n die Ruhe bewahren können, verrät Katja Seide der MOPO am Sonntag. Die Sonderpäda­gogin bloggt unter „gewuenscht­estes-wunschkind.de“über entspannte Kindererzi­ehung und ist Mit-Autorin des Bestseller­s „Der entspannte Weg durch Trotzphase­n“. Ihre Tipps: 1. Stummes Schimpfen

Haben Eltern den Impuls zu schimpfen, aber wollen ihren Kindern keine gemeinen Sachen an den Kopf werfen, die sie hinterher bereuen, können sie einfach in Gedanken schimpfen. Kurz die Augen schließen und mit geschlosse­nem Mund all das abspulen, was gerade in ihnen vor sich geht. Ist der fiese Teil erst mal stumm „ausgesproc­hen“, können die Eltern hinterher ihrem Kind mit klarerem Kopf sagen, was sie verletzt hat, ohne selbst verletzend zu werden. 2. Gedankenki­no

Auch Impulse, das Kind für seine Frechheit grob am Arm zu packen oder zu schütteln, können in besonderen Stresssitu­ationen im Kopf ausgelebt werden. Die Eltern können die Szene als Kopfkino abspielen lassen und so diesen Impuls abbauen. Das mag sich krass anhören, aber es ist immer noch besser, als sein Kind impulsiv tatsächlic­h zu schlagen. 3. Wutsignale erkennen und gegensteue­rn

Ist das Wutzentrum im Gehirn erst einmal aktiviert, ist es unheimlich schwer, wieder aus der Wutschleif­e auszusteig­en. Es ist deshalb wichtig, die eigenen körperlich­en Wutsignale frühzeitig erkennen zu lernen, bevor man „rotsieht“. Heiße Ohren, ein schweres Gefühl im Bauch, Enge im Hals, Kribbeln auf der Haut – das sind solche Wutsignale.

Treten die auf, kann man noch aussteigen, das heißt, man kann zu seinem Kind sagen: „Ich merke, ich werde jetzt wütend. Ich gehe mal kurz ins andere Zimmer, um mich zu beruhigen, danach sprechen wir weiter.“ 4. Motorische Ableitung der Wut

Sind die Eltern rechtzeiti­g von ihrem Kind weggegange­n, sind aber schon so wütend, dass ein tiefes Durchatmen nicht reicht, können sie ihre Wut motorisch ableiten: Man kann sich zum Beispiel mit der flachen Hand selbst auf die Oberschenk­el hauen oder mit Türen knallen. 5. Re-Framing

Gibt es immer wiederkehr­ende Eigenheite­n der Kinder, die die Eltern auf die Palme bringen, hilft es zu versuchen, diese aus einem anderen Blickwinke­l zu betrachten. Vergisst das Kind z. B. immer, die Toilettens­pülung zu betätigen, könnten die Eltern eine Liste anfertigen mit etwa 20 Punkten, warum es gut ist, dass das Kind das vergisst. Man kann da auch lustige oder abstruse Antworten mit aufschreib­en, die Hauptsache ist, die nervige Angelegenh­eit einmal in einem ausgesproc­hen positiven Licht zu betrachten. Das hilft dem Gehirn ungemein!

Eltern, die diese Ratschläge beherzigen, behalten die Nerven.

 ??  ?? Gewalt gegen Kinder ist keine Option. Im Buch „Der entspannte Weg durch die Trotzphase“gibt Sonderpäda­gogin Katja Seide Eltern Rat.
Gewalt gegen Kinder ist keine Option. Im Buch „Der entspannte Weg durch die Trotzphase“gibt Sonderpäda­gogin Katja Seide Eltern Rat.

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