Hamburger Morgenpost

Der Fitness-Invaliden

Atteste ignoriert und langjährig­en Kunden Inkasso-Unternehme­n nach Hause schickt „Die tun so, als ob ich simuliere“

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lich Herzproble­me bekam, litt er ständig unter Atemnot.

„Mein Arzt sagte mir, ich dürfe nicht mehr trainieren, und riet mir zu Reha-Sport“, sagt Schneider. Der Internist stellte ihm ein Attest aus, das der Wandsbeker bei seinem Studio einreichte – mit Hinweis auf das Sonderkünd­igungsrech­t im Krankheits­fall. Die Antwort kam prompt. Das Attest „lässt eine außerorden­tliche Kündi- gung nicht zu“, heißt es in dem Brief vom 24. März. Es sei nicht von einem Facharzt ausgestell­t worden.

Dietmar Schneider ist empört: „Mein Arzt ist Facharzt für Innere Medizin!“Im weiteren Wortlaut des Schreibens weist MeridianSp­a darauf hin, dass es sich bei ihnen nicht um ein Mario Mairena (43), kaufmännis­cher Angestellt­er aus Eimsbüttel: „Ich war 14 Jahre Mitglied und sehr zufrieden. Dann bekam ich Knie-Probleme. Immer wieder gab es Entzündung­en und mehrere OPs. Mein Arzt schrieb mir ein Attest: Ich dürfe keinen Sport mehr machen. MeridianSp­a hat das nicht akzeptiert. Für mich ist das eine Riesen-Enttäuschu­ng. Jetzt bin ich erstmals richtig krank und die tun so, als ob ich simuliere. Sie behandeln einen von oben herab. Dabei hab ich so viele Jahre 80 Euro monatlich bezahlt. Das Vertrauen ist hin. Wenn ich wieder gesund bin, gehe ich in ein anderes Studio. So werden die nicht mehr lange bestehen!“ reines Fitnessstu­dio handele, sondern dass es auch einen großen Wellnessbe­reich gebe, der auch bei Sportunfäh­igkeit nutzbar sei. Das ärgert Schneider noch mehr, denn in seinem Attest heißt es ausdrückli­ch: „... aus diesem Grund ist zum augenblick­lichen Zeitpunkt eine sportliche Tätigkeit nicht angeraten. Dies schließt die Benutzung von Saunen ein.“

Schneiders Kündigung wurde nicht akzeptiert. Stattdesse­n wurde ihm eine Ruhezeit angeboten, die an die Laufzeit seines Vertrages hinten angehängt würde. Gleichzeit­ig wurde der Vertrag, der eigentlich am 30. Juni 2017 geendet hätte, auf den 30. Juni 2018 verlängert.

Schneider ist nicht der Einzige. Auf der FacebookSe­ite des Studios häufen sich die Beschwerde­n von Mitglieder­n, deren Kündigunge­n ebenfalls trotz ärztlicher Atteste abgewiesen wurden. Die MOPO sprach mit einigen von ihnen. Selbst KnieOperat­ionen, Herzmuskel­entzündung­en oder Krebserkra­nkungen sind für den Testsieger unter Hamburgs Fitnessstu­dios kein Sonderkünd­igungsgrun­d.

Hintergrun­d könnte der Verdrängun­gskampf unter den Muckibuden in der Hansestadt sein. Nirgendwo in Deutschlan­d gibt es so viele Work-out-Studios wie hier, nirgendwo so viele Mitglieder pro Einwohner. Doch die Mitglieder­zahlen stagnieren seit Jahren – unter anderem wegen Ganztagssc­hulen und einer immer höheren Mobilität, die dazu führt, dass sich niemand dauerhaft festlegen will. Die Studios kämpfen um ihre Existenz. Um eine 6000 Quadratmet­er große Anlage zu betreiben, braucht es mindestens 10000 Mitglieder. MeridianSp­a hat 25000 Mitglieder in Hamburg – bei fünf Studios auf insgesamt rund 42 000 Quadratmet­ern!

„Meridian nutzt unsere Krankheit aus“, meint Bea W. aus Eimsbüttel, die vier Jahre lang Mitglied war und deren Kündigung aufgrund einer Wirbelsäul­en-Erkrankung ebenfalls nicht anerkannt wurde. „Ein schwacher Mensch hat nicht die Kraft, sich auch noch um so etwas zu kümmern. Also laufen die Zahlungen weiter.“Für die Heilprakti­kerin sind das „Mafia-Methoden“. Andere wie Mario Mairena oder Christian Zimmermann, denen Meridian sogar ein Inkassount­ernehmen auf den Hals hetzte, als sie ihre Zahlungen einstellte­n, sprechen von „Terror“. Schließlic­h ist das bei schwebende­n Verfahren juristisch nicht zulässig. Sie haben deshalb Anwälte eingeschal­tet. Mairena ist sicher: „Wenn die so weitermach­en, wird Meridian nicht lange bestehen!“

Das MeridianSp­a verteidigt die Vorgehensw­eise: „In keinem Fall zweifeln wir persönlich ärztliche Atteste an“, so Sprecherin Christin Lüdemann. Das Attest müsse aber eindeutig sein und eine Aussage darüber geben, „wie schwer die Erkrankung ist und wie lange diese voraussich­tlich andauert. Bei einer Einschränk­ung von mehr als vier Wochen stellen wir den Vertrag während der Erkrankung kostenfrei ruhend. Nach der Genesung läuft der Vertrag weiter.“Sofern sich nach einem Jahr keine Genesung einstelle, würde man den Vertrag kostenfrei beenden. Rechtsanwa­lt Hans-Joachim Nolte, der mehrere Meridian-Mitglieder vertritt, hält das für unzulässig. „Der Bundesgeri­chtshof hat eindeutig geurteilt, dass bei Sportunfäh­igkeit ein außerorden­tliches Kündigungs­recht gilt. Dabei muss das Facharzt-Attest keinerlei Auskunft über die Details der Erkrankung geben. Damit muss Meridian sich begnügen!“

„In keinem Fall zweipersön­lich feln wir ärztliche Atteste an.“Christin Lüdemann, MeridianSp­a „Damit muss MeridianSp­a sich begnügen!“Hans-Joachim Nolte, Anwalt

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 ??  ?? „Ihr Urlaub im Alltag“– mit diesem Slogan wirbt MeridianSp­a um neue Mitglieder.
„Ihr Urlaub im Alltag“– mit diesem Slogan wirbt MeridianSp­a um neue Mitglieder.
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Neben Fitnessräu­men gibt’s in den Filialen auch große Wellness-Bereiche.
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