„Dieletzten Spiele sind Wahnsinn“
HSV-Sportchef über den Endspurt und eine mögliche Relegation. Freiburg als Vorbild bei Transfers
Jetzt geht es um die Wurst. Die Saison spitzt sich zu – und der HSV weiß noch längst nicht, wohin die Reise geht: Klassenerhalt? Relegation? Direkter Abstieg? Die MOPO bat Sportchef Jens Todt zum Interview vor dem Showdown bei Schalke 04 und gegen Wolfsburg.
MOPO: Herr Todt, Sie kennen die Bundesliga seit fast 30 Jahren als Aktiver und Funktionär. Können Sie erklären, welche Auswirkungen die letzten beiden Spieltage einer Saison auf das Nervenkostüm haben? Jens Todt (47):
Das ist schon sehr speziell. Alles spitzt sich zu und fokussiert sich nur noch auf diese beiden Spiele. Plötzlich ändern sich durch andere Ergebnisse minütlich die Ausgangspositionen. Diese letzten Spiele sind der Wahnsinn. Da muss man gute Nerven haben, um kühlen Kopf zu bewahren.
Dem HSV bleiben noch genau diese beiden Spiele, um die Relegation zu umgehen.
Das ist so. Und ich bin froh, dass alle Spiele zeitgleich angepfiffen werden. Zuletzt mussten wir immer nach Siegen der Konkurrenz nachlegen. Das fällt diesmal weg.
Dennoch: Das 0:0 gegen Mainz wurde nach außen als Erfolg verkauft. Verstehen Sie die öffentliche Kritik an dieser Wahrnehmung?
Natürlich kann ich das nachvollziehen, denn wir haben den Befreiungsschlag verpasst. Was wir meinten, war, dass wir einen großen Schritt hin zur alten Stabilität gemacht haben. Dass wir am Ende zwei Punkte zu wenig geholt haben, ist uns auch klar.
Aus den Spielen gegen die Kellerkinder Darmstadt, Augsburg und Mainz holte der HSV einen Punkt. Wie sehr schmerzt das?
Gewaltig. Aber was bringt es, zurück zu schauen? Die Punkte sind weg. Fertig. Nun sind noch sechs Punkte zu vergeben. Holen wir die, bleiben wir drin. Das ist die Realität.
Was macht Ihnen Hoffnung, dass es am Sonnabend, im Gastspiel beim FC Schalke 04, mit dem ersten der beiden erhofften Dreier klappt?
Auch da wird unsere Kompaktheit der Schlüssel sein. Vielleicht wird es diesmal etwas einfacher, weil auch Schalke seinem Publikum noch etwas bieten muss und sich für uns Räume auftun.
Bei Ihrem Gegner brennt derzeit kräftig der Baum ...
.... was ein Vor-, aber auch ein Nachteil sein könnte. Wie gesagt, Schalke ist im eigenen Stadion ebenfalls in der Bringschuld. Wie sehr befassen Sie sich bereits mit potenziellen Gegnern in der Relegation? Klar ist, dass wir die Zweite Liga im Blick haben. Das ist aber schon die ganze Saison über der Fall. Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass uns kein Zweitligist überraschen könnte.
Sie selbst gingen vor zwei Jahren als Zweitliga-Dritter mit dem KSC in die Relegation gegen den HSV, wissen also auch, wie der klassentiefere Klub diese Duelle annimmt.
Du kommst als Zweitligist mit viel Rückenwind, weil du ja schon eine erfolgreiche Saison gespielt hast. Dennoch hat der Bundesligist qualitativ eigentlich immer den besseren Kader. Aber uns sollte das egal sein – weil ich denke, dass wir auch ohne die Relegationsspiele drinbleiben.
Ihr Wunsch, möglichst früh den neuen Kader planen zu können, ging leider nicht in Erfüllung. Dennoch: Wie weit sind Sie?
Wir schauen und bereiten Dinge vor – und zwar zweigleisig. Mit unseren Spielern, deren Verträge auslaufen (Adler, Papadopoulos, Ostrzolek, Djourou, Mickel, Götz, die Red.) haben wir ohnehin die Absprache, abzuwarten, in welcher Liga wir spielen.
Damit laufen Sie aber auch Gefahr, dass begehrte Spieler wie Adler woanders unterschreiben.
Mit dem Risiko müssen wir leben. Ich gehe aber davon aus, dass wir zuvor eine Rückmeldung erhalten würden. Aber klar – die Gefahr, dass ein Spieler von sich aus geht, ist da.
Nachdem in den vergangenen Jahren auf dem Transfermarkt geklotzt wurde, würden sich viele Fans freuen, wenn der HSV diesmal etwas bescheidener wirtschaften könnte. Wie denken Sie darüber?
„Ich kann sagen, dass uns kein Zweitligist überraschen könnte.“
Wir wollen smarte Transfers machen. Damit meine ich: Wir brauchen im besten Fall Spieler, die ihren sportlichen Höhepunkt noch nicht erreicht haben und sich bei uns entwickeln können.
Gibt es in in dieser Hinsicht Vorbilder?
Das ist ein großes Wort. Aber Freiburg und Gladbach zeigen doch Jahr für Jahr, wie es geht. So ein Spieler kann dann auch mal viel Geld kosten, muss er aber nicht. Doch zunächst mal müssen wir ohnehin die Klasse halten.