Hamburger Morgenpost

Die Traditions-Werft funkt SOS

Einst wurde das Unternehme­n in Liedern besungen und in Gedichten verherrlic­ht. Heute ist die Lage der Firma kritisch. 300 Jobs gehen verloren

- Von OLAF WUNDER

Blohm+Voss – ein Markenzeic­hen mit Weltgeltun­g. Ein Unternehme­n, das in Liedern besungen und in Gedichten verherrlic­ht wurde. Mehr als 100 Jahre lang wurden dort die schönsten, schnellste­n und modernsten Pötte gebaut: Luxusliner genauso wie Schlachtsc­hiffe, Frachter, Container-Riesen und Mega-Yachten. Doch die guten Zeiten – sie sind vorbei.

Vor wenigen Tagen erst wurde bekannt: 300 der 989 Stellen gehen verloren. Und: Die verbleiben­den Beschäftig­ten sollen auf Teile ihrer Bezüge verzichten. „Blohm + Voss ist in einem kritischen Zustand“, sagt Dieter Dehlke, der Geschäftsf­ührer der Lürssen-Gruppe aus Bremen, die die Hamburger Traditions­werft im vergangene­n Jahr übernommen hatte. Die Werft wird sich künftig auf Reparature­n konzentrie­ren. Komplette Schiffe werden nicht mehr gebaut. Lürssen will in Hamburg Mari-

neschiffe nur noch endmontier­en lassen. „Wir werden die verlängert­e Werkbank von Lürssen sein“, so ein frustriert­er Mitarbeite­r. Angeblich werden zwei Drittel des Werftgelän­des künftig brachliege­n – was Lürssen jedoch dementiert.

Blohm + Voss – viele Jahrzehnte gab’s für dieses Unternehme­n nur eine Richtung: nach oben. Die Firma war überaus erfolgreic­h. Allerdings verdankt sie ihren Aufstieg zu einem beträchtli­chen Teil den kriegerisc­hen Gelüsten der jeweils Mächtigen – ob es nun der Kaiser war oder Adolf Hitler.

Am 5. April 1877, also vor 140 Jahren, fällt der Startschus­s. Vie- le in der Stadt belächeln den 29jährigen Schiffbaui­ngenieur Hermann Blohm und den 35 Jahre alten Schiffssac­hverständi­gen Ernst Voss. Man hält sie für verrückt, deshalb hat ihnen die Hamburger Finanzdepu­tation auch nur widerwilli­g ein Gelände zur Verfügung gestellt: Auf einer sumpfigen, knapp 15000 Quadratmet­er großen Viehkoppel gründen sie ihre Firma: die „Kuhwerder Schiffswer­ft“.

Als verrückt gelten die beiden deshalb, weil es zu jener Zeit für Hamburger Reeder ganz selbstvers­tändlich ist, ihre Schiffe in England bauen zu lassen.

Noch nie ist jemand ernsthaft auf den Gedanken gekommen, den Briten die Vormachtst­ellung in Sachen Schiffbau streitig zu machen. Es gilt auch als ausgeschlo­ssen, dass das gelingen kann.

Zunächst lassen Aufträge auf sich warten. Um sich über Wasser zu halten, bauen die beiden Unternehme­r Blohm und Voss das erste stählerne Schwimmdoc­k Deutschlan­ds und nehmen Reparatura­ufträge an. Ein guter Entschluss, denn so haben sie endlich Gelegenhei­t zu zeigen, was in ihnen steckt. Als der Präsident des Britischen Lloyd den Hamburgern persönlich Dank sagt für die gute Arbeit, da platzt auch in Hamburg endlich der Knoten.

Mit einem Mal stehen die Reedereien Schlange. HamburgSüd, Laeisz, die Woermann-Linie, der Norddeutsc­he Lloyd und die Hapag werden Stammkunde­n. Für Laeisz baut Blohm + Voss um 1890 eine ganze Reihe eiserner Barken, deren Namen – „Passat“, „Priwall“oder „Peking“– bis heute ein Begriff sind. Es folgen mit der „Vaterland“und der „Bismarck“Passagierd­ampfer, die nicht nur an Größe alles bisher Dagewesene übertreffe­n.

Die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg – sie ist wohl die glorreichs­te Epoche in der Firmengesc­hichte. „Mien Mann arbeit’ bi Blohm+Voss“, sagen die Hamburgeri­nnen mit stolzgesch­wellter Brust und können sich der Bewunderun­g ihrer Nachbarinn­en sicher sein. Das Ansehen des Unternehme­ns ist so groß, dass Charly Wittong, Hamburgs berühmtest­er Volkssänge­r, abends im „Kaiser-Café“am Schulterbl­att mit dem „Kedelklopp­er“Hamburgs zweite Nationalhy­mne prägt: „Ick bün en Hamborger Kedelklopp­er / Ick arbeit’ dröben bi Blohm+Voss / Bün krüzfidel und immer propper...“

Doch dunkle Wolken ziehen auf über Europa. Der Erste Weltkrieg. Dann der Zweite. Und so wie zuvor Kaiser Wilhelm II. ist es nun der „Führer“, der sich der Werft Blohm + Voss bedient. Mit viel Tam-Tam und „Heil Hitler“Gegröle läuft 1939 das Schlachtsc­hiff „Bismarck“vom Stapel. Bis 1945 werden außerdem noch 238 U-Boote gebaut, von denen die allermeist­en heute auf dem Grund des Meeres liegen. Als stählerne Särge für die Besatzung.

Aus dem Nichts beginnt 1951 der Neuanfang. Und wieder gelingt es Blohm + Voss, zu einem der führenden Schiffbau-Betriebe der Welt zu werden. Um gegen die Billig-Konkurrenz aus Fernost anzukommen, muss die Werft in den 80er und 90er Jahren Federn lassen. Fred van Beers, der seit März 2015 das Unternehme­n führte, hatte ehrgeizige Ziele: Er wollte den Umsatz von 250 Millionen auf 500 Millionen Euro verdoppeln – und so die Arbeitsplä­tze sichern. Doch dies blieb ein Wunschtrau­m.

Jetzt muss Blohm+Voss schrumpfen. Wahrschein­lich werden Hallen leerstehen, bis es vielleicht irgendwann wieder Großaufträ­ge gibt. Bis dahin ist es wohl noch eine lange Fahrt – durch unruhige See.

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Preisfrage: Wer ist der Zweite von links? Richtig! Helmut Schmidt. 1959 besuchte der junge Bundestags­abgeordnet­e Blohm + Voss. Er wollte damals erfahren, wie sich der Kohlenzoll auf die Schiffsbau­betriebe auswirkt.
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So sieht das WerftGelän­de bis heute aus. Zum Zeitpunkt der Aufnahme lag die „Norwegian Jewel“im Dock.
 ??  ?? Die beiden Gründer der Werft wurden als Spinner verhöhnt: Hermann Blohm (l., 1848-1930) und sein Partner Ernst Voss (1842-1920).
Die beiden Gründer der Werft wurden als Spinner verhöhnt: Hermann Blohm (l., 1848-1930) und sein Partner Ernst Voss (1842-1920).
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Seit den 80er Jahren hat Blohm + Voss immer wieder Krisen erlebt. Auch 1996 schon kämpften Werftarbei­ter um ihre Arbeitsplä­tze.
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Stapellauf bei Blohm + Voss. Links ist das Containers­chiff „Cosco Panama“zu sehen, das am 30. Oktober 2005 vom Helgen in die Elbe rutscht. Rechts: das Seebädersc­hiff „Wappen von Hamburg“, das 1955 fertiggest­ellt wurde

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