Leiden mit Stil
Mit Schmelz in der Stimme und Songs voller Seele: Der Gentleman des Pop singt heute Abend im „Mehr!“Theater
Von MARC PESCHKE
r ist bis heute der schönste Seitenscheitel des Popbusiness, auch wenn die Haare nicht mehr mattschwarz schimmern, sondern silbrig glänzen. Bryan Ferrys Weg vom Heranwachsenden in der nordenglischen Sozialsiedlung zum Gentleman des Pop war lang – aber erfolgreich. Heute, nach mehr als vier Jahrzehnten im Geschäft, hat Ferry alles geschafft: Er hat mit den Dandy-Avantgardisten Roxy Music Musikgeschichte geschrieben, hat zwischen Jazz, New Wave und Art-Rock nach Belieben gewechselt – und konnte sich später auch als Solokünstler etablieren. Immer wieder vermochte er es, seine Hörer zu überraschen: Auf „As Time Goes By“(1999) perlte samtene 30erJahre-Jazz-Eleganz aus den Boxen, auf seinem Album „Frantic“(2002) coverte Ferry Bob Dylan-Songs. Nie wusste man, was als Nächstes kommt. Das ist bis heute so geblieben.
„Ich bin eine gehetzte Seele“, sagt Ferry von sich selbst – und niemand leidet mit mehr Stil, mit mehr Glam als er. Er verkörpert immer nur eine Figur, die aber vollendet: Er gibt den tragischen Helden der Popmusik, den traurigen Top-Crooner mit zartem Schmelz.
Heute im „Mehr!“-Theater am Großmarkt wird der 71Jährige eigene Lieder und Songs von Roxy Music spielen, Perlen des „Great American Songbook“neu interpretieren und natürlich auch Dylan-Stücke zum Besten geben. Er wird sich vielleicht Exkursionen zum Oldschool-Jazz à la Duke Ellington erlauben und, wer weiß, vielleicht auch beweisen, wie nah er an der Musik des 21. Jahrhunderts dran ist. Vor Kurzem ist nämlich ein überaus interessantes Remix-Album erschienen.
„Avonmore“, sein bisher letztes Studioalbum, kam 2014 heraus – es könnte also gut möglich sein, dass der englische Pop-Snob auch einige ganz neue Songs im Repertoire hat. Wie die klingen könnten? Gewiss: stilvoll. Aber auch falls er nichts Neues singen sollte – bei Klassikern wie „More Than This“, „Let’s Stick Together“oder „Jealous Guy“wird sich sicher niemand beschweren.
„Mehr!“-Theater: Heute, 20 Uhr, ab 70 Euro