Darum braucht Hamburg den G20-Gipfel
Der Bürgermeister im großen MOPO-Interview:
„Ich wünsche mir Gelassenheit. Solche Gipfel müssen stattfinden.“
Es ist das größte politische Ereignis, das Hamburg je ausgerichtet hat. Die Stadt wird im Zentrum der Weltöffentlichkeit stehen. In vier Wochen startet der G20-Gipfel – Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat einiges um die Ohren. Im MOPO-Interview spricht er über Donald Trump, Demos, Erwartungen und Inhalte.
MOPO: Wird sich Hamburg während des G20-Gipfels im Ausnahmezustand befinden? Olaf Scholz: Nein. Trotz mehrerer Tausend Polizisten, Großdemonstration, Straßensperren und Sicherheitszonen?
Dass bei dieser Veranstaltung viele Personen zusammenkommen, die besonders geschützt werden müssen, weiß jeder. Ähnliche Konferenzen finden auch an anderen Orten der Welt statt. Auch wenn einige der Gipfelteilnehmer umstritten sind, gehen von ihnen keine Probleme für die öffentliche Ordnung aus.
Die Reizfiguren für viele heißen: Trump, Erdogan, Putin. Können Sie verstehen, dass viele Hamburger wegen dieser Politiker auf die Straße gehen werden?
Es gibt Möglichkeiten, an friedlichen Protesten teilzunehmen und dort seine Meinung auszudrücken, zum Beispiel bei der „Protestwelle“am 2. Juli oder am 8. Juli bei der Demonstration „Hamburg zeigt Haltung“.
Apropos Haltung. Haben Sie schon für den Händedruck mit Trump geübt?
Nein. Rechnen Sie denn damit, dass Sie ihn persönlich begrüßen? Welche Rolle spielen Sie während des Gipfels? Es wird ein paar bilaterale Gespräche geben. Wir werden dabei helfen, den Gipfel auszurichten und in diesem Zusammenhang werde ich auch den einen oder anderen Staatschef begrüßen. Am Ende bleibt der Gipfel aber ein Treffen der Staats- und Regierungschefs.
Trump wird eine der zentralen Figuren bei dem G20-Gipfel sein – und er ist höchst umstritten ...
Dass Regierungschefs dabei sind, deren politische Vorstellungen wir in Deutschland und wohl auch andernorts in der EU ziemlich falsch finden, spricht nicht gegen das Treffen, sondern ausdrücklich dafür. Denn wenn diese Staaten zusammen für über vier Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts stehen, eine Weltregierung aber nicht existiert, bleibt nur, miteinander zu reden. Und selbstverständlich auch zu streiten.
Auch der G7-Gipfel hat zuletzt gezeigt, dass mit den USA derzeit kaum Ergebnisse zu erzielen sind. Wird das nicht auch auf G20 zukommen?
Ich wünsche mir Ergebnisse, obwohl ich mich noch genau daran erinnere, dass die ursprüngliche Konzeption der G6- und G7-Treffen durch Helmut Schmidt darauf ausgerichtet war, dass man überhaupt miteinander redet.
Aber die Welt erwartet Ergebnisse.
Die erwarten natürlich die Medien. Wichtig ist der Dialog – und sind nicht so sehr monatelang vorher verhandelte Kommuniqués. Trotzdem braucht man Fortschritte in der Sache. Bei zentralen Themen wie Freihandel, Klimaschutz und dem Umgang mit Flucht vor Krieg und Verfolgung gelingen Übereinkommen gegenwärtig nicht. Die wären aber dringend notwendig.
Was stört Sie im Vorfeld des G20Gipfels denn besonders?
Ich wünsche mir Gelassenheit. Solche Gipfel müssen stattfinden und das geht nur in großen Städten. Man hört und liest ja immer wieder, dass man das irgendwo in der Lüneburger Heide machen könnte. Dann müsste man dort aber eine Kleinstadt aus Zelten und Containern errichten – immerhin werden zehntausend Gipfelteilnehmer und Journalisten erwartet. Und das geht nur in Hamburg? Es geht nur hier oder in Berlin oder in München. Wir sollten mit großem Selbstbewusstsein darauf bestehen, dass solche Konferenzen nicht nur in Ländern stattfinden, wo diejenigen, die eine andere Meinung vertreten als die dortigen Staatsoberhäupter, besonderen Mut brauchen, um sich zu versammeln. In Hangzhou, wo das Treffen zuletzt stattgefunden hat, hat sich niemand gefunden, der auch nur eine Kundgebung veranstalten wollte. Dass Demonstrationen erwartet werden, kann ja keine Begründung dafür sein, dass ein solches Treffen ausgerechnet in Deutschland mit seiner entwickelten demokratischen Gesellschaft nicht stattfinden sollte.
Vor allem die gewaltbereiten Autonomen, die in Hamburg erwartet werden, dürften das anders sehen. Was möchten Sie ihnen sagen?
Es gibt für Gewalt keine Rechtfertigung. In unserer freien, offenen und liberalen Gesellschaft kann jeder seine Meinung friedlich äußern.
Was macht Sie so sicher, dass die
„Es gibt für Gewalt keine Rechtfertigung. Jeder kann seine Meinung friedlich äußern.“
Sicherheitslage hier ruhig bleibt? Wir haben eine sehr professionelle Polizei. Schon bei der Ausbildung geht es neben schulischen Leistungen und Fitness um die charakterliche Eignung. Auf diese Einsatzkräfte kann man sich verlassen.
Welche Erkenntnisse haben Sie denn über die Mobilisierung der,
sagen wir mal, etwas unfreundlicheren Protestler?
Mitbekommen haben alle, dass die Zahl der erwarteten Teilnehmer an Kundgebungen, die keine friedlichen Absichten verfolgen, nicht so groß ist, wie anfangs berichtet wurde. Es werden dennoch einige hierherkommen, deren Verhalten wir nicht akzeptieren können. Das ist aber keine ungewöhnliche Lage, das kommt leider immer wieder vor.
Mit welchem Gefühl möchten Sie am 9. Juli, dem Tag nach dem Gipfel, morgens aufwachen?
Am wichtigsten wäre mir, dass Fortschritte erreicht werden, etwa bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, beim Vorgehen gegen Steuer-Oasen, bei der Bekämpfung des Hungers, bei den Entwicklungsmöglichkeiten für Afrika und auch bei der Klimaschutzpolitik.
Bei all dem Stress, der Kritik und den Planungen im Vorfeld: Würden Sie einen Gipfel noch mal hier austragen?
Ich würde immer wieder Ja sagen. Es steht übrigens auch in unserer Verfassung, dass ich Ja sagen muss: Hamburg soll sich wegen seines Welthafens als Mittlerin des Friedens unter den Völkern erweisen.
Werden die 50 Millionen, die der Bund bereitgestellt hat, reichen?
Wir haben gut verhandelt und gut kalkuliert.