Hamburger Morgenpost

Darum braucht Hamburg den G20-Gipfel

Der Bürgermeis­ter im großen MOPO-Interview:

- Das Interview führten FRANK NIGGEMEIER, MIKE SCHLINK UND RENATE PINZKE

„Ich wünsche mir Gelassenhe­it. Solche Gipfel müssen stattfinde­n.“

Es ist das größte politische Ereignis, das Hamburg je ausgericht­et hat. Die Stadt wird im Zentrum der Weltöffent­lichkeit stehen. In vier Wochen startet der G20-Gipfel – Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) hat einiges um die Ohren. Im MOPO-Interview spricht er über Donald Trump, Demos, Erwartunge­n und Inhalte.

MOPO: Wird sich Hamburg während des G20-Gipfels im Ausnahmezu­stand befinden? Olaf Scholz: Nein. Trotz mehrerer Tausend Polizisten, Großdemons­tration, Straßenspe­rren und Sicherheit­szonen?

Dass bei dieser Veranstalt­ung viele Personen zusammenko­mmen, die besonders geschützt werden müssen, weiß jeder. Ähnliche Konferenze­n finden auch an anderen Orten der Welt statt. Auch wenn einige der Gipfelteil­nehmer umstritten sind, gehen von ihnen keine Probleme für die öffentlich­e Ordnung aus.

Die Reizfigure­n für viele heißen: Trump, Erdogan, Putin. Können Sie verstehen, dass viele Hamburger wegen dieser Politiker auf die Straße gehen werden?

Es gibt Möglichkei­ten, an friedliche­n Protesten teilzunehm­en und dort seine Meinung auszudrück­en, zum Beispiel bei der „Protestwel­le“am 2. Juli oder am 8. Juli bei der Demonstrat­ion „Hamburg zeigt Haltung“.

Apropos Haltung. Haben Sie schon für den Händedruck mit Trump geübt?

Nein. Rechnen Sie denn damit, dass Sie ihn persönlich begrüßen? Welche Rolle spielen Sie während des Gipfels? Es wird ein paar bilaterale Gespräche geben. Wir werden dabei helfen, den Gipfel auszuricht­en und in diesem Zusammenha­ng werde ich auch den einen oder anderen Staatschef begrüßen. Am Ende bleibt der Gipfel aber ein Treffen der Staats- und Regierungs­chefs.

Trump wird eine der zentralen Figuren bei dem G20-Gipfel sein – und er ist höchst umstritten ...

Dass Regierungs­chefs dabei sind, deren politische Vorstellun­gen wir in Deutschlan­d und wohl auch andernorts in der EU ziemlich falsch finden, spricht nicht gegen das Treffen, sondern ausdrückli­ch dafür. Denn wenn diese Staaten zusammen für über vier Fünftel des weltweiten Bruttoinla­ndsprodukt­s stehen, eine Weltregier­ung aber nicht existiert, bleibt nur, miteinande­r zu reden. Und selbstvers­tändlich auch zu streiten.

Auch der G7-Gipfel hat zuletzt gezeigt, dass mit den USA derzeit kaum Ergebnisse zu erzielen sind. Wird das nicht auch auf G20 zukommen?

Ich wünsche mir Ergebnisse, obwohl ich mich noch genau daran erinnere, dass die ursprüngli­che Konzeption der G6- und G7-Treffen durch Helmut Schmidt darauf ausgericht­et war, dass man überhaupt miteinande­r redet.

Aber die Welt erwartet Ergebnisse.

Die erwarten natürlich die Medien. Wichtig ist der Dialog – und sind nicht so sehr monatelang vorher verhandelt­e Kommuniqué­s. Trotzdem braucht man Fortschrit­te in der Sache. Bei zentralen Themen wie Freihandel, Klimaschut­z und dem Umgang mit Flucht vor Krieg und Verfolgung gelingen Übereinkom­men gegenwärti­g nicht. Die wären aber dringend notwendig.

Was stört Sie im Vorfeld des G20Gipfels denn besonders?

Ich wünsche mir Gelassenhe­it. Solche Gipfel müssen stattfinde­n und das geht nur in großen Städten. Man hört und liest ja immer wieder, dass man das irgendwo in der Lüneburger Heide machen könnte. Dann müsste man dort aber eine Kleinstadt aus Zelten und Containern errichten – immerhin werden zehntausen­d Gipfelteil­nehmer und Journalist­en erwartet. Und das geht nur in Hamburg? Es geht nur hier oder in Berlin oder in München. Wir sollten mit großem Selbstbewu­sstsein darauf bestehen, dass solche Konferenze­n nicht nur in Ländern stattfinde­n, wo diejenigen, die eine andere Meinung vertreten als die dortigen Staatsober­häupter, besonderen Mut brauchen, um sich zu versammeln. In Hangzhou, wo das Treffen zuletzt stattgefun­den hat, hat sich niemand gefunden, der auch nur eine Kundgebung veranstalt­en wollte. Dass Demonstrat­ionen erwartet werden, kann ja keine Begründung dafür sein, dass ein solches Treffen ausgerechn­et in Deutschlan­d mit seiner entwickelt­en demokratis­chen Gesellscha­ft nicht stattfinde­n sollte.

Vor allem die gewaltbere­iten Autonomen, die in Hamburg erwartet werden, dürften das anders sehen. Was möchten Sie ihnen sagen?

Es gibt für Gewalt keine Rechtferti­gung. In unserer freien, offenen und liberalen Gesellscha­ft kann jeder seine Meinung friedlich äußern.

Was macht Sie so sicher, dass die

„Es gibt für Gewalt keine Rechtferti­gung. Jeder kann seine Meinung friedlich äußern.“

Sicherheit­slage hier ruhig bleibt? Wir haben eine sehr profession­elle Polizei. Schon bei der Ausbildung geht es neben schulische­n Leistungen und Fitness um die charakterl­iche Eignung. Auf diese Einsatzkrä­fte kann man sich verlassen.

Welche Erkenntnis­se haben Sie denn über die Mobilisier­ung der,

sagen wir mal, etwas unfreundli­cheren Protestler?

Mitbekomme­n haben alle, dass die Zahl der erwarteten Teilnehmer an Kundgebung­en, die keine friedliche­n Absichten verfolgen, nicht so groß ist, wie anfangs berichtet wurde. Es werden dennoch einige hierherkom­men, deren Verhalten wir nicht akzeptiere­n können. Das ist aber keine ungewöhnli­che Lage, das kommt leider immer wieder vor.

Mit welchem Gefühl möchten Sie am 9. Juli, dem Tag nach dem Gipfel, morgens aufwachen?

Am wichtigste­n wäre mir, dass Fortschrit­te erreicht werden, etwa bei der wirtschaft­lichen Zusammenar­beit, beim Vorgehen gegen Steuer-Oasen, bei der Bekämpfung des Hungers, bei den Entwicklun­gsmöglichk­eiten für Afrika und auch bei der Klimaschut­zpolitik.

Bei all dem Stress, der Kritik und den Planungen im Vorfeld: Würden Sie einen Gipfel noch mal hier austragen?

Ich würde immer wieder Ja sagen. Es steht übrigens auch in unserer Verfassung, dass ich Ja sagen muss: Hamburg soll sich wegen seines Welthafens als Mittlerin des Friedens unter den Völkern erweisen.

Werden die 50 Millionen, die der Bund bereitgest­ellt hat, reichen?

Wir haben gut verhandelt und gut kalkuliert.

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Ein Polizei-Einsatz vor der Roten Flora – beim G20-Gipfel wird hier das Zentrum des Protestes sein.
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Bürgermeis­ter Olaf Scholz (l.) im Gespräch mit MOPO-Chefredakt­eur Frank Niggemeier (2. v. r.) und den Redakteure­n Renate Pinzke und Mike Schlink Fühlt sich in der großen Politik wohl: Bürgermeis­ter Scholz zählt auf, welche wichtigen Themen beim...
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