Hamburger Morgenpost

Die Ältesten unserer Art

Sensatione­lle Funde in Marokko verraten: Menschen gibt es schon viel länger, als bisher geglaubt

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Marrakesch – Der Ort, an dem eine kleine Gruppe von Jägern und Sammlern vor 300000 Jahren den Tod fand, muss ein beliebter Lagerplatz gewesen sein. Eine Höhle, gelegen in einem Bergmassiv. Vor ihrem Eingang konnte man gut Feuer machen und die frisch erlegten Gazellen zubereiten. Wie es dazu kam, dass die drei Erwachsene­n, der Jugendlich­e und das etwa sieben Jahre alte Kind dort starben, lässt sich heute nicht mehr sagen. Ihre Geschichte liegt im Dunkeln, ihre sterbliche­n Überreste wurden im Laufe der Jahrtausen­de von Sand und Geröll bedeckt und versteiner­ten.

Dass ihre Existenz jetzt wieder ans Licht kam, ist einem Forscherte­am um JeanJacque­s Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig und Abdelouade­d Ben-Ncer vom Nationalen Institut für Archäologi­e im marokkanis­chen Rabat zu verdanken. Sie fanden einen Teil der Überreste und untersucht­en sie.

Das Ergebnis, über das sie in der aktuellen Ausgabe des „Nature“-Magazins berichten, ist für Wissenscha­ftler eine Sensation: Die Schädel-, Unterkiefe­r- und sonstigen Knochenübe­rreste stammen von Menschen unserer Art. Nie zuvor haben Forscher derart alte Fossilien von Homo sapiens gefunden. Die bisher ältesten Funde stammen aus Äthiopien und sind knapp 200 000 Jahre alt, also 100 000 Jahre jünger.

Auch der Fundort ist völlig überrasche­nd. Entdeckt wurden die Fossilien in Marokko, in der Ausgrabung­sstätte Jebel Irhoud. Bisher stammten die ältesten Homo-sapiens-Funde aus Ostafrika. Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass unsere Art so früh auch schon nördlich der Sahara, im Maghreb,

lebte. Aus diesem Grund waren sich die meisten Forscher bisher einig, dass die Wiege der Menschheit vor etwa 200 000 Jahren in Ostafrika war und dass sich Homo sapiens von dort aus über ganz Afrika, später auch nach Asien, Europa und über die gesamte Welt verbreitet­e. Nun müsse die Geschichte vom Garten Eden in Ostafrika korrigiert werden, sagt Jean-Jaques Hublin. Allerdings sei nun nicht etwa der Norden Afrikas als neuer Ursprungso­rt zu betrachten. Vielmehr deuteten die Funde darauf hin, dass Homo sapiens bereits vor etwa 300 000 Jahren auf dem gesamten Kontinent vertreten war. Hublin folgert daraus: „Lange bevor der moderne Mensch Afrika verließ, hat er sich bereits innerhalb Afrikas ausgebreit­et.“Er vermutet, dass die Art Homo sapiens bereits vor 500 000 bis 600000 Jahren entstand. Bei den neuerliche­n Ausgrabung­en, die im Jahr 2004 begannen, stießen die Forscher auf 16 weitere menschlich­e Überreste, darunter auch eine Gehirnkaps­el, ein vollständi­g mit Zähnen bestückter Unterkiefe­r und einige andere Knochen von Armen und Beinen. In derselben Schicht entdeckten sie die Überreste eines Lagerfeuer­s, Werkzeuge aus Feuerstein und Knochen von Gazellen und anderen Tieren, die offensicht­lich gejagt und verspeist worden waren. Es waren die Steinwerkz­euge, die das hohe Alter der Funde verrieten. Wo der Ursprung des Menschen genau begann, können Forscher bislang nicht sagen. Solange es dazu keine neuen Erkenntnis­se gibt, gilt für Jean-Jacques Hublin: „Ganz Afrika war der Garten Eden.“

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Die Vertreter der Gattung Homo werden auch als Urmenschen bezeichnet. Zu seinen afrikanisc­hen Nachfahren zählt wohl der Homo sapiens.
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Die Ausgrabung­sstätte Jebel Irhoud in Marokko. Einst war dort eine Höhle.
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Werkzeuge: Sie waren aus hochwertig­em, über weite Strecken transporti­ertem Feuerstein und mit fortschrit­tlicher Technik angefertig­t.
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