Hamburger Morgenpost

Seit 34 Jahren in Santa Fu!

Warum Frank W. so lange sitzt, was er getan hat, warum er wieder vor Gericht steht

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Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Als Frank W. (57) seine Freiheit verlor, gewann der HSV den Europapoka­l der Landesmeis­ter, im Hamburger Straßenbil­d dominierte der Golf I, Deutschlan­d war geteilt und niemand konnte mit dem Begriff Internet irgendetwa­s anfangen. Seit 1983 sitzt der Doppelmörd­er in Santa Fu. Gestern stand er wegen einer Prügelei im Knast wieder vor Gericht.

Kahlgescho­rener Schädel, tiefe Falten neben der Nase, eiskalte Augen: Wer Frank W. einmal gesehen hat, vergisst dieses Gesicht nie wieder. Und sein Leben reicht für zwei abendfülle­nde Filme. Geboren am 30.4.1960 im schwäbisch­en Kirchheim unter Teck kommt der junge Mann in den 70er Jahren irgendwie in die DDR. Er wird Schäfer und arbeitet bei Magdeburg. Am 8.10.1982 erschlägt er dann dort unweit von dem Kaff Eilsleben mit einem Kumpel einen 24-Jährigen und raubt ihm 24 000 Ostmark. Im Januar 1983 gelingt W. bei Helmstedt unweit von Wolfsburg die Flucht über die DDRGrenze. Doch beim Übersteige­n des Metallgitt­erzauns löst der Mörder eine Selbstschu­ssanlage aus und wird von Dutzenden Metallspli­ttern schwer verletzt. Trotzdem kann er sich noch auf das Gebiet der Bundesrepu­blik flüchten und kommt sofort in eine Klinik.

Der damals zieht nach Hamburg, wird Schäfer in der Fischbeker Heide, hütet 500 Schafe. Im August 1983 verhaften Hamburger Polizisten W. in seiner Wohnung am Fischbeker Heideweg.

Sein Komplize hatte bei der Volkspoliz­ei in der DDR den Mord gestanden und die DDR-Staatsanwa­ltschaft verlangte nun die Auslieferu­ng W.s. Es folgte ein langer juristisch­er Hickhack. Im September 1986 bestätigte schließlic­h der Bundesgeri­chtshof ein Urteil des Hamburger Landgerich­ts. Das hatte Frank W. aufgrund der aus der DDR gelieferte­n Akten des Mordes für schuldig gesprochen und zu lebensläng­lich verurteilt.

1994 wurde dann in Santa Fu der Vergewalti­ger Dieter J. (51) tot in seiner Zelle entdeckt. Der Täter hatte seine Schädeldec­ke mit einem stumpfen Gegenstand zertrümmer­t. Und ihm dann mit einem Messer 14 Mal in den Körper gestochen und das Opfer schließlic­h noch mit einem Seil strangulie­rt. Alle drei Verletzung­smuster hätten für sich allein zum Tode geführt. Das Motiv: Habgier. Das Opfer verfügte über Geld und Schmuck. Wenig später wird Frank W. als Täter ermittelt. Das Urteil fällt 1995. Die Richter erkennen auf Mord und sehen eine „besondere Schwere der Schuld“. Das bedeutet, W. kann nicht wie üblich nach 15 Jahren frei kommen. Rechtskräf­tig wird das Urteil erst 1999 – deswegen sitzt W. immer noch in Santa Fu und hier soll es im Dezember 2016 zu einer Attacke auf zwei andere Häftlinge gekommen sein.

Es ging um Denunziati­onen, verliehene­n Tabak und Schnorrere­ien – da soll Frank W. im Flur seiner Haftstatio­n einen Häftling (43) bedroht haben: „Verpiss dich, du Ratte. Oder ich leg dich um.“Einen zweiten Knacki (37) soll er durch Faustschlä­ge im Gesicht verletzt haben. Frank W. bestreitet die Attacke, behauptet gestern vor Gericht, selbst angegriffe­n worden zu sein. Mit zitternden Händen sitzt er da, spricht fließend und wirkt durchaus intelligen­t. Er schildert seinen Alltag, spricht davon, dass er hinter Gittern vor Kurzem einen Herzinfark­t erlitten hat und ihn die ganze Situation arg mitnehme. Im Übrigen sei er während 34 Jahren hinter Gittern noch nie ausgeflipp­t. Er sei eher der ruhige Typ: „Ich bin eigentlich ein ganz Vernünftig­er.“Die Beschimpfu­ngen gibt er aber zu, meint dann: „Ich war richtig erschrocke­n über mich selbst.“

Dass der so „Vernünftig­e“1994 einen Mithäftlin­g regelrecht massakrier­t hat, scheint der LangzeitKn­acki auszublend­en.

23-Jährige „Ich bin eigentlich ein ganz Vernünftig­er.“Angeklagte­r Frank W.

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In der Haftanstal­t Fuhlsbütte­l (Santa Fu) sitzen Schwerverb­recher aus ganz Norddeutsc­hland.

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