Hamburger Morgenpost

Jetzt will Merkel Afrika retten

Flüchtling­e, Euro-Krise und Brexit abgehakt – Angela Merkel widmet sich jetzt Europas südlichem Nachbarn. Wie der vergessene Kontinent wieder Anschluss finden soll: G20-Afrika-Gipfel in Berlin sucht Lösungen gegen Flucht und Armut.

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Berlin – Ist das bereits Teil ihrer neuen Rolle als „Anführerin der freien Welt“– in die sie liberale Spitzenpol­itiker der westlichen Welt drängen wollen? In Berlin lud Angela Merkel zu einem zweitägige­n G20-AfrikaGipf­el. Europas südlicher Nachbar-Kontinent droht ökonomisch vollends den Anschluss zu verlieren, die gegenwärti­ge Massenfluc­ht könnte erst ein Vorgeschma­ck dessen sein, was uns erwartet.

„Wir müssen aber auch überlegen, ob wir mit der klassische­n Entwicklun­gshilfe immer den richtigen Weg gegangen sind“, so die Kanzlerin zum Auftakt der Konferenz, an der mehrere afrikanisc­he Staats- und Regierungs­chefs teilnahmen.

Licht und Schatten liegen in Afrika dicht beieinande­r: Denn jenseits vom Image als Krisenkont­inent gibt es in Afrika Erfolgsges­chichten, gespeist aus wirtschaft­lichem

Wachstum und politische­r Stabilität: Staaten wie Ghana, Uganda, Ruanda, Äthiopien, Senegal und die Elfenbeink­üste haben ein solides Wachstum und sind politisch stabil. Und es gibt die Sorgenkind­er – Eritrea, der Südsudan, Simbabwe, Mali und Nigeria – wo Repression­en, innerstaat­liche Konflikte oder Kriege Menschen in die Flucht treiben.

Die diesjährig­e deutsche Präsidents­chaft im Industrieu­nd Schwellenl­änderzirke­l G20 möchte neue Wege gehen: Eine „Partnersch­aft mit Afrika“statt Almosen in Form von Entwicklun­gshilfe, „Compacts with Africa“, nennt Berlin das. Gemeint sind Pilotpartn­erschaften mit einigen Staaten – Elfenbeink­üste, Marokko, Ruanda, Senegal, Tunesien.

Das klingt nach Augenhöhe, Reich und Arm sollen gemeinsam in eine Zukunft investiere­n. Doch wie sieht die Realität aus? Vor allem folgende Faktoren hemmen Afrikas Entwicklun­g, auch wenn die Wirtschaft der Staaten 2016 im Schnitt um 2,2 Prozent wuchs:

Korruption: Ein Großteil des Reichtums, der in Afrika erwirtscha­ftet wird, versickert in zwielichti­gen Kanälen. Europäisch­e Unternehme­n, NGOs und Politiker gehen dagegen nicht konsequent vor, sondern spielen mit, um im Land präsent zu bleiben. Überreguli­erung und Rechtsunsi­cherheit: Nur wenige afrikanisc­he Staaten haben ein modernes Rechtssyst­em, das Investoren Rechtssich­erheit bietet. „Hermes-Bürgschaft­en“in den Partnersta­aten sollen das Risiko für Investoren minimieren. Infrastruk­turproblem­e: Zu wenige Häfen, desaströse Straßen, mangelhaft­e Versorgung mit Strom und Internet. Auch hier sind Investitio­nen nötig, schon lange

laufen Chinesen Europäern hier den Rang ab.

Unfairer Handel: Seit 2003 verhandelt Brüssel mit Ländern südlich der Sahara – aufgeteilt in fünf Ländergrup­pen – über neue Handelsabk­ommen, genannt Economic Partnershi­p Agreements (EPAs). Nach fast 14 Jahren ist nur eines in Kraft getreten.

Denn zu Recht befürchten die Afrikaner, dass die zumeist überlegene­n (und nicht selten subvention­ierten) europäisch­en Produkte afrikanisc­he Güter von heimischen Märkten verdrängen. Bei Geflügelun­d zunehmend auch Schweinefl­eisch, bei Tomatenmar­k, Säften etc. ist das längst passiert.

Wichtig wäre es, einige Agrarprodu­kte von der weiteren Liberalisi­erung auszunehme­n. Oder afrikanisc­hen Produzente­n zu helfen, effiziente­r zu produziere­n.

„Überlegen, ob wir immer den richtigen Weg gegangen sind“Angela Merkel in Berlin

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 ??  ?? Ein Arbeiter bei der Bananenern­te: Afrikas Landwirtsc­haft leidet unter unfairem Handel.
Ein Arbeiter bei der Bananenern­te: Afrikas Landwirtsc­haft leidet unter unfairem Handel.
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Angela Merkel neben Guineas Präsident Alpha Condé (r.) im Gasometer in Berlin
 ??  ?? Kooperatio­n auf Augenhöhe: BAP-Gründer Wolfgang Niedecken (l.) und der kenianisch­e Sänger Eric Wainaina gestern in Berlin
Kooperatio­n auf Augenhöhe: BAP-Gründer Wolfgang Niedecken (l.) und der kenianisch­e Sänger Eric Wainaina gestern in Berlin

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