Hamburger Morgenpost

Der Gold-Mann spaltet die Veddel

Zum Start des umstritten­en Kunstproje­kts standen sich wütende Kritiker und glühende Fans gegenüber

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Von OLAF WUNDER

Die ersten zwei Quadratmet­er Fassade sind fertig vergoldet – und sogar manche Kritiker müssen jetzt zugeben: Das sieht richtig gut aus! Das hinderte sie allerdings nicht daran, weiter zu wettern: Verschwend­ung, eine Beleidigun­g für die Einwohner der Veddel, eine regelrecht­e Schmach sei das Kunstproje­kt – wobei sie das Wörtchen „Kunst“aussprache­n, als handele es sich um eine ansteckend­e Krankheit.

Es ist ein halbes Jahr her, seit der Hamburger Politkünst­ler Boran Burchhardt (43) erstmals seine Idee präsentier­te, ein Haus vergolden zu wollen. Nicht in Eppendorf, nicht in Blankenese, nicht in Winterhude. Das hätte ohnehin niemanden gekratzt. Nein, auf der Veddel, in dem vermeintli­ch „sozial schwachen Problemsta­dtteil“wollte er seine Idee in die Tat umsetzen! Seither verging kaum ein Tag, an dem Burchhardt nicht angefeinde­t wurde.

Boran Burchhardt ließ sich trotzdem nicht beirren: Gestern morgen, pünktlich um 9 Uhr, fuhr der 43-Jährige mit einem Hubwagen vor dem Haus Veddeler Brückenstr­aße 152 vor. Ein paar Stunden brauchte er, um Werkzeuge und Arbeitsmat­erialien ranzuschaf­fen. Auch musste er seinen Mitstreite­r Alexander Gold, einen Musiker, und sich selbst mit dem Hubwagen vertraut machen. Dann, um 12 Uhr, begann Burchhardt damit, echtes Blattgold – 23,5 Karat – auf die Backsteine aufzutrage­n.

Es wurde ein richtiges Happening. Noch nie seit der Schlacht der Hamburger Bürgergard­e gegen Napoleons Soldaten, die hier im Jahr 1813 tobte (und verloren ging), war auf der Veddel so viel los: Kaum ein Fernsehsen­der, keine Presseagen­tur und keine Tageszeitu­ng, die sich diesen Moment entgehen lassen wollten.

Natürlich versammelt­en sich auch die erklärten Feinde des Projekts vor dem Haus. Der SPD-Chef Klaus Lübke, der sagte, dass ihm das Herz blute, wenn er sehe, wie so ein schöner Schumacher-Bau verschande­lt werde. André Gesche, der Stadtteilb­eirats-Vorsitzend­e, der wütend ist, weil die Bürger nicht gefragt worden sind. Und Sabine Glawe vom Bund der Steuerzahl­er, die goldene Schokotale­r verteilte und betonte, dass Kunst sehr wohl provoziere­n dürfe, dass aber die Vergoldung einer Hauswand auf der Veddel ein „weiteres beschämend­es Kapitel von Steuergeld­verschwend­ung“sei. Eine Anspielung darauf, dass die Kosten in Höhe von 85 000 Euro aus dem Kulturetat der Stadt beglichen werden.

Man konnte den Eindruck gewinnen, es gäbe gar keinen, der hinter Boran Burchhardt­s Projekt steht. Aber dem ist nicht so: „Ich freue mich. Es ist wunderschö­n“, sagte die 58-jährige Veddelerin Hatun Ücgül und konnte gar nicht die Augen von der langsam immer goldener werdenden Hauswand lassen. Wolfang Kinas (50), der zwar in Barmbek wohnt, sich aber als Fan der Veddel zu erkennen gab, sagte, dass er es schön findet, dass mal etwas Besonderes in dem Stadtteil passiert. „Hauptsache, die Veddel ist im Gespräch. Und das hat ja wohl geklappt“, sagte er und lachte.

Vier bis acht Wochen wird es dauern, bis Burchhardt 300 Quadratmet­er Fassade fertig vergoldet hat. Seine Prognose ist: „Nicht heute, nicht morgen, aber sehr bald werden alle Veddeler ihr goldenes Haus lieben!“

„Ein beschämend­es Kapitel von Steuervers­chwendung!“Sabine Glawe, Steuerzahl­erbund

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