Neuer Angriff des RioPechvogels
Jacob Heidtmann kämpft in dieser Woche um die WM-Qualifikation
Er wird es nie vergessen, es ist auch schwer, einen Haken dahinter zu setzen – aber es geht weiter für Jacob Heidtmann (22), Hamburgs besten Schwimmer, den Pechvogel von Rio.
Rückblick: Die Olympischen Spiele. 400 Meter Lagen, Heidtmanns Spezialstrecke. Der WM-Fünfte schlägt nach 4:11,85 Minuten an. Deutscher Rekord. Eine Zeit, mit der man in die Nähe der Medaillenränge schwimmt. Riesiger Jubel. Und dann die bittere Enttäuschung. Heidtmann wird disqualifiziert. Wegen zwei Delfinkicks bei der Brustwende. Es ist eine umstrittene Entscheidung. Tränen fließen. Der damals 21-Jährige spricht von Rücktritt.
„Das waren schon ernsthafte Gedanken“, sagt er zehn Monate später im Gespräch mit der MOPO. „Ich habe aber auch schon vor den Spielen überlegt, ob ich weitermache, wenn die Spiele gut laufen.“Schwimmen kann eine Qual sein. Kaum eine andere Sportart erfordert ein derart intensives Training. Die Tage des Sozialökonomie-Studenten sind oft 14 Stunden lang. Der Lohn ist bescheiden. Es gibt praktisch keine Sponsoren, die deutsche Schwimmer unterstützen. Heidtmanns Teamkollege Markus Deibler war auch aus diesem Grund 2014 zurückgetreten. Als Weltmeister. Mit 24 Jahren.
Heidtmanns Gedanken vom Vorjahr sind also keine Seltenheit im Schwimmen, das zwar olympische Kernsportart ist, öffentlich aber kaum noch Aufmerksamkeit findet. Die WM in Budapest (23. bis 30. Juli) wird nicht von ARD und ZDF live übertragen, sondern nur von deren Spartensendern One und ZDF.info. Diese Entwicklung sei „sehr traurig und beschämend für das ganze Land“, sagt Heidtmann.
All das aber kann ihm den Spaß an seinem Sport nicht nehmen. Dieser habe letztlich über die Zweifel gesiegt. Nach Olympia machte Heidtmann elf Wochen Urlaub, seither steckt er im nächsten Olympia-Zyklus. Tokio 2020 lautet das Fernziel. Zunächst aber geht es bei der morgen in Berlin beginnenden Deutschen Meisterschaft um die WMQualifikation. Es ist die erste und zugleich einzige Chance.
Heidtmann startet über 200 und 400 Meter Lagen und über 200 Meter Freistil. „Ich hatte diesen langen Urlaub, habe viel umgestellt und habe mein Studium angefangen“, sagt der leidenschaftliche Fan des FC St. Pauli. „Mein Leistungsstand ist schwer einzuschätzen. Das ist auch für mich eine Wundertüte.“