Darf Baby Charlie weiterleben?
Eltern kämpfen vor Gericht darum, dass ihr todkrankes Söhnchen weiter beatmet wird
London – Aus der Nase des kleinen Charlie Gard ragen Schläuche, ein Pflaster bedeckt den Großteil seines Gesichts. Der zehn Monate alte Junge leidet an einer seltenen Erbkrankheit, wird mit künstlicher Beatmung am Leben gehalten. Die Ärzte wollen Charlie in Würde sterben lassen. Doch die Eltern kämpfen um ihr schwer krankes Kind – durch alle gerichtlichen Instanzen ...
MDS (Mitochondriales DNA-Depletionssyndrom) heißt die tückische Erbkrankheit, an der Charlie leidet. Sie führt zu Muskelschwund und Hirndefekten. Ohne Hilfe kann der Junge seine Arme und Beine nicht mehr bewegen, sein Gehirn ist bereits stark beschädigt, heißt es in einem Urteil des
britischen Supreme Court von Anfang Juni. Während die Ärzte des Londoner Great Ormond Street Hospital die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen wollen, ergreifen Charlies Eltern jede Chance, um das Leben ihres Jungen zu retten. Sie fordern, dass die Ärzte ihren Sohn am Leben halten, bis sie ihn für eine experimentelle Therapie in die USA bringen können. Online sammeln sie Spenden, um die Behandlung zahlen zu können.
Doch die Justiz steht bislang aufseiten der Mediziner. Durch alle Instanzen hinweg erlaubten die Gerichte in Großbritannien, die künstliche Beatmung abzubrechen. Eine Hoffnung bleibt den Eltern noch: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Anfang Juni ordneten die Straßburger Richter an, Charlie weiter zu beatmen – mindestens bis heute um Mitternacht. Bis dahin müssen Charlies Eltern ihre Beschwerde begründen. Andernfalls muss ihr Kind sterben.
Anders als in Deutschland werde „dem britischen Staat großzügig gestattet, ins Eltern-Kind-Verhältnis einzugreifen“, so der Basler Juraprofessor Bijan Fateh-Moghadam. „Staatliche Gerichte treten quasi als oberster Erziehungsberechtigter auf.“
Charlies Mutter Connie Yates postet auf Facebook regelmäßig Fotos: vom Familienpicknick, sie selbst abgemagert am Bett ihres Sohns („Das machen 7 Monate Stress mit dir“). Ein anderes zeigt das Baby mit offenen Augen – aus Sicht der Mutter der Beweis, dass die Richter falsch liegen, wenn sie meinen, Charlies Gehirn könne nicht lernen zu sehen, weil er seine Augen nicht öffnen könne. Der Kommentar von Charlies Mutter: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“