Hamburger Morgenpost

Vom Schattenma­nn zum Chef

Olaf Janßen hat als Nachfolger von Ewald Lienen keinen leichten Trainer-Job. Aber er kommt prima an

-

Nicht überall, wo neu draufsteht, ist auch neu drin: Die Inthronisi­erung des ehemaligen Co-Trainers Olaf Janßen als Nachfolger von Ewald Lienen auf dem Posten des Chefcoache­s steht beim FC St. Pauli nicht für Wechsel, sondern für Kontinuitä­t. Auch wenn große Fußstapfen betreten werden wollen.

Er hatte sich vornehm zurückgeha­lten. In der vergangene­n Saison war Olaf Janßen kaum wahrnehmba­r nach seiner Verpflicht­ung am 2. November des vergangene­n Jahres, all seine Konzentrat­ion galt dem Aufpäppeln eines abgeschlag­enen Zweitliga-Letzten. Im Schatten eines dominanten AlphaTiere­s, wie es Ewald Lienen unzweifelh­aft war und ist, bastelte der Ex-Profi im Hintergrun­d gemeinsam mit seinem Vorgesetzt­en an dem, was schließlic­h zur besten Halbserie der Vereinsges­chichte wurde. „Den ganzen Menschen Olaf Janßen“, hatte der 50Jährige bei seiner ersten Pressekonf­erenz als Cheftraine­r gesagt, „hat man beim FC St. Pauli bislang noch nicht gesehen.“Mehrere Wochen ist das mittlerwei­le her. Und mit jedem neuen Tag kommt ein neues Teilchen ins Janßen-Puzzle, das in der Gesamtheit weit mehr Spaß bereitet, als es im Vorfeld zu erahnen war.

Dabei ist die darsteller­ische Warte fast die schwierigs­te seines neuen Wirkens. Wer eine Vereinsiko­ne beerbt, die vor jedem Spiel die eigenen Fans begrüßt, das politische und gesellscha­ftliche Credo des Vereins aus tiefster Überzeugun­g vertritt, wortgewand­t, witzig und am Ende auch sportlich erfolgreic­h ist, der hat eine amtliche Aufgabe vor der Brust. „Ewald Lienen zu kopieren, wäre ein schlechter Ratgeber“, hatte Janßen schon früh festgestel­lt. Hat er auch gar nicht nötig. Denn der fünffache Familienva­ter hat ein ureigenes Profil, mit dem er bei seinen Spielern und zunehmend auch den täglichen Begleitern seiner Ar-

„Ich halte Olaf für einen außergewöh­nlichen Trainer. Es war für ihn Zeit, in die erste Reihe vorzustoße­n. Man kann St. Pauli nur beglückwün­schen.“Berti Vogts „Die Arbeit, die Olaf bei uns abgeliefer­t hat, ist ja auch ein Grund gewesen zu sagen, dass er das kann.“Ewald Lienen

beit viele Pluspunkte sammelt.

„Er hat eine Ausstrahlu­ng und Präsenz, die vereinnahm­end ist“, befand Präsident Oke Göttlich unlängst und brachte damit vieles auf den Punkt. Janßen hat die Fähigkeit, Ernsthafti­gkeit, Eloquenz und Erfahrung mit großer Überzeugun­gskraft und viel Humor zu mischen. Er ist ein hervorrage­nder Erzähler, nach 32 Jahren im Business ausgestatt­et mit einem großen Quell an Fachwissen und Anekdoten. Addiert man sein Potenzial im sportliche­n Bereich hinzu, ergeben Göttlichs weitere Worte absolut Sinn: „Inhaltlich, konzeption­ell und vom persönlich­en Auftreten her war es keine Frage, dass wir uns für ihn als nächsten Cheftraine­r des FC St. Pauli entscheide­n wollten und konnten.“Was auch von den Profis goutiert wurde, wie Mats Möller Daehli stellvertr­etend bewies: „Der Trainer war mit ein Grund, warum ich bleiben wollte.“

Es ist ein offenes Geheimnis, dass St. Paulis schier halsbreche­rischer Aufwärtstr­end in der vergangene­n Saison mit Janßens Verpflicht­ung begann, dass er seinen Anteil hatte an einer Entwicklun­g, die es nun fortzuführ­en gilt – allerdings ohne in Sachen Anspruch gleich zu überdrehen. „15 Mannschaft­en werden die Möglichkei­t haben, oben mitzuspiel­en“, hatte Janßen erklärt. „Wir sollten uns auf ein Hauen und Stechen einstellen.“Eventuelle­n Erstliga-Ambitionen erteilte er entspreche­nd eine klare Absage: „Wir haben in den letzten drei Jahren zwei Mal mit einem Bein in der 3. Liga gestanden. Da ist Demut geboten! Alles andere sind Träumereie­n.“

„Inhaltlich, konzeption­ell und vom persönlich­en Auftreten her war es keine Frage, dass wir uns für ihn als nächsten Cheftraine­r des FC St. Pauli entscheide­n wollten.“

Oke Göttlich

 ??  ?? Da geht’s lang: Olaf Janßen gibt beim FC St. Pauli jetzt als neuer Cheftraine­r den Ton an und die Richtung vor. Janßen (hier gegen Für den 1. FC Köln absolviert­e 209 Erstligasp­iele. Yordan Letchkov vom HSV) Fünf Jahre lang assistiert­e Olaf Janßen (l.)...
Da geht’s lang: Olaf Janßen gibt beim FC St. Pauli jetzt als neuer Cheftraine­r den Ton an und die Richtung vor. Janßen (hier gegen Für den 1. FC Köln absolviert­e 209 Erstligasp­iele. Yordan Letchkov vom HSV) Fünf Jahre lang assistiert­e Olaf Janßen (l.)...
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany