Irre WerbeAktion auf der Roten Flora
Kommerz in der Trutzburg der Antikapitalisten: Angebliche Aktivisten lassen Friedenstauben steigen – und hissen das Reklame-Banner eines Internet-Versands
Bizarre Szenen an der „Roten Flora“: Angebliche Anarchisten bringen Olivenbäume auf den Balkon des autonomen Zentrums, lassen Friedenstauben steigen – als „Zeichen gegen die Gewalt“beim G20-Gipfel. Doch parallel hissen sie das Werbebanner eines Internetversands, mitten im Herzen des Antikapitalismus!
Donnerstagmorgen vor der „Roten Flora“: Unter dem Motto „Pflanzen statt Pflastersteine“treffen sich 15 Vermummte. Die selbsternannte Aktivistin und Initiatorin Jamila Hassan (25) erklärt: „Viele von uns schämen sich für das, was an G20 passiert ist. Damit haben die Randalierer uns alle in den Dreck gezogen.“
Irre: In einem Schreiben, das sie vor Ort verteilt, ist diese „Scham“nicht ansatzweise zu erkennen: „Rewe und Budni plattmachen ist ok, aber nur, wenn wir als Selbstversorger eigene Nahrungsgrundlagen schaffen und nicht mehr bei den Schweinekapitalisten kaufen müssen.“Ach so.
Mit einer Hebebühne werden zwei Bäume sowie die weißen Tauben auf den Flora-Balkon gebracht – einen Türschlüssel hatte die Truppe offenbar nicht. Dazu wird das Werbebanner eines Pflanzenversands am Geländer aufgehängt – dass dieser eine kapitalistische Firma ist, scheint nicht zu stören. Dann werden die Vögel vor einem Transparent, auf dem auf Französisch „Die ganze Welt hasst die Polizei“steht, in die Freiheit entlassen.
Die MOPO wundert sich über die schräge Aktion – und ruft bei Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt an. Der versichert, dass die Gruppe wirklich zur Flora gehöre. Allerdings: Noch nie hat es ein Werbebanner an der „Roten Flora“gegeben. Auch sehen die „Anarchisten“eher so aus, als hätten sie sich verkleidet, die identischen schwarzen Pullis scheinen mit ihren geraden Falten direkt aus der Verpackung zu stam-
men. Das Ganze wirkt eher wie eine Guerilla-Marketingaktion.
Als die MOPO am Nachmittag nochmals bei Blechschmidt nachfragen will, ist das Telefon aus. Offenbar gibt’s bei den Rotfloristen Diskussionsbedarf ...
Und was sagt der beworbene Pflanzenversand? „Natürlich war dies KEINE Werbeaktion“, schreibt eine Sprecherin – und fügt in Werbetexter-Manier hinzu: „Sondern ein Start für eine grüne Flora für JEDEN!“
Auch der Chef des Versands beteuert das. „Die Schleichwerbung ist aber großartig“, sagt er lachend. Mit der Aktion selbst habe er – außer dass er die Pflanzen gestellt habe – nichts zu tun. Die Initiatoren würden ab und zu für ihn arbeiten und auf seinem Gelände „ein ramschiges Gewächshaus bewirtschaften“. Dass das antikapitalistische Zentrum die Aktion möglicherweise im Nachhinein überhaupt nicht gut findet, glaubt er nicht. „Ich denke, viele sind dort jetzt der Meinung, dass man sich öffnen muss.“