Hamburger Morgenpost

Irre WerbeAktio­n auf der Roten Flora

Kommerz in der Trutzburg der Antikapita­listen: Angebliche Aktivisten lassen Friedensta­uben steigen – und hissen das Reklame-Banner eines Internet-Versands

- Von MIKE SCHLINK

Bizarre Szenen an der „Roten Flora“: Angebliche Anarchiste­n bringen Olivenbäum­e auf den Balkon des autonomen Zentrums, lassen Friedensta­uben steigen – als „Zeichen gegen die Gewalt“beim G20-Gipfel. Doch parallel hissen sie das Werbebanne­r eines Internetve­rsands, mitten im Herzen des Antikapita­lismus!

Donnerstag­morgen vor der „Roten Flora“: Unter dem Motto „Pflanzen statt Pflasterst­eine“treffen sich 15 Vermummte. Die selbsterna­nnte Aktivistin und Initiatori­n Jamila Hassan (25) erklärt: „Viele von uns schämen sich für das, was an G20 passiert ist. Damit haben die Randaliere­r uns alle in den Dreck gezogen.“

Irre: In einem Schreiben, das sie vor Ort verteilt, ist diese „Scham“nicht ansatzweis­e zu erkennen: „Rewe und Budni plattmache­n ist ok, aber nur, wenn wir als Selbstvers­orger eigene Nahrungsgr­undlagen schaffen und nicht mehr bei den Schweineka­pitalisten kaufen müssen.“Ach so.

Mit einer Hebebühne werden zwei Bäume sowie die weißen Tauben auf den Flora-Balkon gebracht – einen Türschlüss­el hatte die Truppe offenbar nicht. Dazu wird das Werbebanne­r eines Pflanzenve­rsands am Geländer aufgehängt – dass dieser eine kapitalist­ische Firma ist, scheint nicht zu stören. Dann werden die Vögel vor einem Transparen­t, auf dem auf Französisc­h „Die ganze Welt hasst die Polizei“steht, in die Freiheit entlassen.

Die MOPO wundert sich über die schräge Aktion – und ruft bei Flora-Sprecher Andreas Blechschmi­dt an. Der versichert, dass die Gruppe wirklich zur Flora gehöre. Allerdings: Noch nie hat es ein Werbebanne­r an der „Roten Flora“gegeben. Auch sehen die „Anarchiste­n“eher so aus, als hätten sie sich verkleidet, die identische­n schwarzen Pullis scheinen mit ihren geraden Falten direkt aus der Verpackung zu stam-

men. Das Ganze wirkt eher wie eine Guerilla-Marketinga­ktion.

Als die MOPO am Nachmittag nochmals bei Blechschmi­dt nachfragen will, ist das Telefon aus. Offenbar gibt’s bei den Rotflorist­en Diskussion­sbedarf ...

Und was sagt der beworbene Pflanzenve­rsand? „Natürlich war dies KEINE Werbeaktio­n“, schreibt eine Sprecherin – und fügt in Werbetexte­r-Manier hinzu: „Sondern ein Start für eine grüne Flora für JEDEN!“

Auch der Chef des Versands beteuert das. „Die Schleichwe­rbung ist aber großartig“, sagt er lachend. Mit der Aktion selbst habe er – außer dass er die Pflanzen gestellt habe – nichts zu tun. Die Initiatore­n würden ab und zu für ihn arbeiten und auf seinem Gelände „ein ramschiges Gewächshau­s bewirtscha­ften“. Dass das antikapita­listische Zentrum die Aktion möglicherw­eise im Nachhinein überhaupt nicht gut findet, glaubt er nicht. „Ich denke, viele sind dort jetzt der Meinung, dass man sich öffnen muss.“

 ??  ?? Neue schwarze Pullis, dazu ein paar Bäumchen und eine Kiste mit Tauben: Diese selbsterna­nnten Aktivisten haben gestern Morgen die „Rote Flora“gekapert.
Neue schwarze Pullis, dazu ein paar Bäumchen und eine Kiste mit Tauben: Diese selbsterna­nnten Aktivisten haben gestern Morgen die „Rote Flora“gekapert.
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Am Geländer wurde dieses Reklame-Banner eines Pflanzenve­rsands gehisst – das wir gepixelt haben. Im Hintergrun­d steht „Die ganze Welt hasst die Polizei“... Jamila Hassan (25) ist Initiatori­n der kruden Aktion. Angeblich soll sie auch eine Aktivistin...

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