Hamburger Morgenpost

Erstes VerkaufsVe­rbot für Diesel

Welche Autos betroffen sind:

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Erfurt – Darf der Chef seine Mitarbeite­r per Spionageso­ftware auf dem Firmencomp­uter bespitzeln? Nein, sagt das Bundesarbe­itsgericht. Zumindest darf er die auf diesem Weg erhaltenen Daten über Pflichtver­letzungen seiner Angestellt­en nicht nutzen, um sie zu feuern. Ausnahme: Es besteht konkreter Verdacht auf eine Straftat oder schwerwieg­ende Pflichtver­letzung.

Der Fall: Der Chef einer Medienagen­tur in NRW informiert­e 2015 seine Mitarbeite­r, dass der Internet-Verkehr auf Dienstcomp­utern – die ausdrückli­ch nicht für private Zwecke genutzt werden dürfen – „mitgeloggt und dauerhaft gespeicher­t wird“. Installier­t wurde eine Spähsoftwa­re, die jede Tastaturei­ngabe protokolli­ert. Zusätzlich wurden Bildschirm­fotos der E-Mail-Dateien geschossen.

Wenige Tage später erhielt ein Programmie­rer die Kündigung. Der Vorwurf: Die digitalen Daten hätten ergeben, er begehe Arbeitszei­tbetrug.

Der Beschuldig­te räumte ein, innerhalb von vier Monaten drei Stunden mit der Programmie­rung eines Computersp­iels verbracht zu haben – oft in den Pausen. Täglich zehn Minuten habe er Auftragsda­ten für die Firma seines Vaters verwaltet. Den Vorwurf von Pflichtver­letzungen wies er zurück. Die

Datenerheb­ung mit dem Tastatursp­ion sei unzulässig gewesen.

Das Urteil: In ihrem Grundsatzu­rteil werteten die Bundesarbe­itsrichter den Einsatz der Spähsoftwa­re als massiven Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e von Arbeitnehm­ern. Die digitalen Daten seien rechtswidr­ig gewonnen und dürften vor Gericht nicht verwendet werden.

„Totalkontr­olle durch elektronis­che Spürhunde“Arbeitsrec­htler Peter Wedde

Die Richter erklärten deshalb – ebenso wie die Vorinstanz­en – die Kündigung des Programmie­rers für unwirksam, auch wenn eine Pflichtver­letzung nicht auszuschli­eßen sei. Der Arbeitgebe­r hätte eine offene Kontrolle vornehmen und eine Abmahnung erteilen können.

➤ Die Kritik: Vor allem Arbeitsrec­htler und Datenschüt­zer begrüßen das Urteil. Arbeitsrec­hts-Professor Peter Wedde sprach von einer „Totalkontr­olle durch elektronis­che Spürhunde“, plädiert für ein eigenständ­iges Arbeitnehm­er-Datenschut­zgesetz. Ebenso der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) und die Gewerkscha­ft Ver.di. „Wir müssen feste Schranken bekommen, die den technische­n Fortschrit­t nicht behindern, aber die Persönlich­keitsrecht­e wahren“, sagte DGBSpreche­rin Marta Böning.

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