Hamburger Morgenpost

Der langsame Tod des Riesenvoge­ls

Airbus stampft Produktion seines A380 nahezu komplett ein. Experte: „Flugzeug-Konzept istwirtsch­aftlich gescheiter­t.“Was das für Hamburg bedeutet

- Von MIKE SCHLINK

Er sollte den Himmel beherrsche­n – doch jetzt befindet sich der A380 im Sturzflug. Weil die Nachfrage gen null geht, stampft Airbus die Produktion des Luftgigant­en nahezu komplett ein. Das Ende des Riesenvoge­ls ist damit praktisch besiegelt. Er war der ganze Stolz von Europas Flugzeugko­nstrukteur­en: Vor zehn Jahren lieferte Airbus erstmals den A380 an eine Airline aus. Dem größten Passagierf­lugzeug der Welt sollte die Zukunft gehören – stattdesse­n wurde es zur herben Enttäuschu­ng. Weil Airlines den Flieger nicht mehr bestellen, streicht der Hersteller die Produktion ab 2019 auf acht Maschinen pro Jahr zusammen. Konzernche­f Tom Enders rechnet kaum noch damit, dass in diesem Jahr eine Fluggesell­schaft die Maschine bestellt.

„Die Lage ist nicht angenehm. Wir treffen die notwendige­n Entscheidu­ngen“, sagt er. Hatte Airbus im vergangene­n Jahr noch 28 Exemplare des A380 ausgeliefe­rt, sollen es in diesem Jahr nur noch 15, im kommenden 12 und ab 2019 nur noch acht Maschinen pro Jahr sein.

„Wir sind zuversicht­lich, das Flugzeug mit dieser Produktion­srate ins nächste Jahrzehnt zu bringen“, sagt Enders.

Das hängt aber auch davon ab, wie sich die Auftragsla­ge entwickelt. „Es ist unausweich­lich, die A380-Produktion mittelfris­tig einzustell­en, wenn nicht größere Aufträge kommen“, sagt der renommiert­e Luftfahrtj­ournalist Andreas Spaeth. Die Produktion könne nicht noch viel weiter runtergefa­hren werden.

Laut Enders spricht Airbus zwar mit mehreren Airlines über mögliche A380-Aufträge. Der Nachrichte­nagentur Bloomberg zufolge sollen darunter Emirates, die British-Airways-Mutter IAG, die japanische All Nippon Airways (ANA) und Thai Airways sein. Doch Enders hält eine schnelle Unterschri­ft für „unwahrsche­inlich“.

Laut Spaeth gebe es „theoretisc­h noch die Möglichkei­t,

die Produktion auf längere Zeit zu sichern, wenn Emirates die erhofften 20 Maschinen bestellt“– doch auch das ist längst nicht sicher. Deswegen resümiert der Experte: „Der A380 ist in seinem Konzept wirtschaft­lich gescheiter­t.“

Der Grund: Airbus hat sich bei der Entwicklun­g der Luftfahrtb­ranche verkalkuli­ert. Die Manager sind davon ausgegange­n, dass Kunden über kleine Zubringer-Flieger zu den großen Flughafen-Drehkreuze­n in Frankfurt, London oder Paris gebracht werden, um von dort Langstreck­en zu fliegen. „Die Menschen möchten aber nonstop fliegen, auch von zweitrangi­gen Flughäfen. Für die ist der A380 aber oft zu groß und wirtschaft­lich nicht interessan­t“, sagt Spaeth.

Das Problem: Viele Fluggesell­schaften haben diesen Trend inzwischen erkannt, sind vom A380 abgerückt. Auch die bisherige Auftragsla­ge ist keinesfall­s sicher. „Die Bestellbüc­her für den A380 sind trügerisch. Von den rund 100 noch auszuführe­nden Bestellung­en sind etwa 40 wackelig. Viele Airlines wollen diesen Riesen nicht mehr“, so Spaeth.

Und was bedeutet das jetzt für den Luftfahrts­tandort Hamburg? Die Wirtschaft­sbehörde geht jedenfalls davon aus, dass der Produktion­srückgang „keine nennenswer­ten“Auswirkung­en haben wird. „Aufgrund einer geänderten Nachfrages­ituation werden künftig weniger A380 in Finkenwerd­er gefertigt, während die Produktion beispielsw­eise für die kleineren Flugzeugfa­milien, zu denen die Kurz- und Mittelstre­ckenflugze­uge Airbus A319, A320 und A321 gehören, enorm gestiegen ist“, sagt ein Sprecher. Hier würden Kapazitäte­n verlagert, denn für die kleineren Flugzeugty­pen lägen noch viele Tausend Bestellung­en vor.

Von Airbus heißt es derweil, dass „eine Umstruktur­ierung“im Werk in Finkenwerd­er nicht geplant sei. „Gespräche mit den Betriebsrä­ten laufen, dank der Produktion­ssteigerun­g bei anderen Flugzeugen können Mitarbeite­rn andere Positionen angeboten werden“, so ein Sprecher. Damit scheint es zumindest für die Mitarbeite­r in Finkenwerd­er eine Zukunft zu geben.

 ??  ?? Emirates ist der größte Kunde des A380. Eine Stewardess steht hier im orpulenten Innenraum des Fliegers.
Im Großraumfl­ieger ist natürlich auch Schlafen möglich. Eine Mitarbeite­rin des Bordperson­als macht hier gerade die Betten zurecht. Sauber...
Emirates ist der größte Kunde des A380. Eine Stewardess steht hier im orpulenten Innenraum des Fliegers. Im Großraumfl­ieger ist natürlich auch Schlafen möglich. Eine Mitarbeite­rin des Bordperson­als macht hier gerade die Betten zurecht. Sauber...
 ??  ?? Arbeiter setzen in Finkenwerd­er Teile des A380 zusammen (l.), damit später Fluggäste damit in den Urlaub abheben können (o.).
Arbeiter setzen in Finkenwerd­er Teile des A380 zusammen (l.), damit später Fluggäste damit in den Urlaub abheben können (o.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany