Schluss mit Billig-Alkohol auf dem Kiez!
Warum Falko Droßmann (SPD) den Bier-Kiosken auf St. Pauli den Kampf ansagt
Großveranstaltungen noch und nöcher, Saufgelage auf der Straße und Probleme bei der Müllentsorgung. Anwohner in Hamburg-Mitte sind genervt, beschweren sich immer öfter bei Bezirks-Boss Falko Droßmann (43, SPD). Die MOPO sprach mit ihm über die Zustände – und wie er sie in den Griff kriegen will.
MOPO: Herr Droßmann, ist Mitte ein Remmidemmi-Bezirk? Falko Droßmann: Es ist der mit der höchsten Lebensqualität. Wir haben große Wohngebiete in Hamm und Horn, ein gigantisches Industriegebiet in Billbrook und eben auch Stadtteile wie St. Pauli oder St. Georg, in denen ständig was los ist. Die Bandbreite ist riesig, es gibt viele Herausforderungen.
Eine davon ist das „Cornern“, viele Anwohner sind genervt.
Auf St. Pauli gibt es eine große Toleranz. In bestimmten Jahreszeiten wird diese aber überstrapaziert, etwa jetzt im Sommer. Keiner in dem Stadtteil hat was dagegen, wenn zehn Leute zusammenstehen, was trinken und auch mal länger reden. Wenn es aber jeden Abend 200 sind, dann ist das Maß überschritten.
Was genau ist das Problem?
Statt bei Gastronomen den Alkohol zu kaufen, holen sich die Leute ihre Getränke am Kiosk. Die Zahl dieser kleinen Läden nimmt rapide zu. Insgesamt 57 haben wir an der Reeperbahn und in der Umgebung. Für die Kneipen, aber auch für die Clubs ist das ein Problem, sie sind auf Erlöse aus dem Getränkeverkauf angewiesen. Mehrere Clubbetreiber haben sich bereits an mich gewandt und gesagt: Diese Saison noch und dann ist’s Schlagermove „Cornern“Menschen sitzen auf der Straße, trinken Bier, unterhalten sich bis spät in die Nacht. Anwohner sind vom „Cornern“genervt.
vorbei, dann sind sie wirtschaftlich am Ende. Das ist bitter, denn dann verliert Hamburg seine kulturelle Identität und Vielfalt, so wird’s öde.
Wer ist schuld an der Lage?
Die Kioske können in den wenigsten Fällen etwas für die Situation. Sie bedienen einen Markt. Es sind die Vermieter, die einen eklatanten Fehler begehen. Die nehmen jetzt zwar hohe Mieten ein, aber durch die ganzen Kioske verödet die Gegend. Das wird mittelfristig zu einem Wertverlust der Immobilien führen, das kann nicht in deren Interesse sein. Auch die Leute, die sich an dem Trend beteiligen, sind Teil des Problems. Sie merken nicht, dass sie den Stadtteil kaputt machen.
Wie lösen Sie das Problem?
Bislang habe ich keine Handhabe. Wir brauchen ein entsprechendes Gesetz. Wenn ich keine rechtliche Grundlage habe, kann ich nicht einfach in Grundrechte eingreifen. Die gewerbliche Freiheit ist ein solches.
Was fordern Sie dann?
Man muss in der Lage sein, sehr genau, sehr transparent, aber zu gewissen Zeiten an gewissen Orten ein Alkoholverkaufsverbot einzuführen. Kein Alkoholkonsumverbot. Es geht um laue Sommerabende, an denen wir sagen können: Am Grünen Jäger, am Pferdemarkt darf nun kein Alkohol verkauft werden. Dann bringen die Leute ihren Alkohol halt selber mit … Es gibt valide Untersuchungen, dass sie genau das nicht tun. Klar, da bringt schon jemand sein Sixpack mit. Dann ist aber Schluss und man versorgt sich aus der Umgebung. Keiner rennt mehrere Straßen weiter zum nächsten Laden, um 20 Minuten später mit einem Bier zurückzukommen. Um diesen Plan durchzusetzen, braucht es eine Änderung des Ladenöffnungszeiten-Gesetzes. Und wir brauchen ein Hamburgisches Gaststättengesetz, das haben wir bislang nicht.
Kommen wir zu den Großveranstaltungen. Sie wollten weniger solcher Events in Ihrem Bezirk. Das hat bislang nicht geklappt ...
Allerdings. In diesem Jahr kam der Ironman auch noch obendrauf. Ich sage nicht, dass wir die Veranstaltungen nicht haben wollen. Aber es gibt auch keine Möglichkeit, sie nicht haben zu können. Wenn ich sage, ich rufe den heiligen Kreuzzug gegen den Schlagermove aus, dann kann ich höchstens die Toiletten nicht genehmigen. Mehr Macht habe ich nicht, weil am Ende zahlreiche Stellen über die Veranstaltung entscheiden. Das muss künftig wieder zentralisiert werden.
Gibt es Hoffnung, dass im kommenden Jahr Veranstaltungen woanders stattfinden?
Mögliche Flächen gibt es auch in anderen Bezirken, die Be- Steindamm
Der Steindamm in St. Georg ist eine Welt für sich. Frauen fühlen sich oft unwohl, wenn sie hier unterwegs sind.
reitschaft, Veranstaltungen zu übernehmen ist auch da. Die Veranstalter wollen aber die Hotspots St. Pauli oder Alster dabeihaben. Beides liegt in Mitte. Ich mache dem einzelnen Veranstalter keinen Vorwurf daraus, aber über die Menge müssen wir uns unterhalten. Die Stimmung im innerstädtischen Bereich kippt.
Auch die Lage am dürfte viele nicht Wie sehen Sie das? Steindamm begeistern.
Die Situation ist überhaupt nicht befriedigend. Wir haben zum Beispiel eine hohe Ausländerquote dort. Für viele ist es aber nicht nötig, sich zu integrieren, weil viele dort miteinander verwandt sind und eine Art Subzentrum entstanden ist. Kernproblem dort ist die Müllentsorgung. Hier muss sich etwas tun, auch die Eigentümer sind gefragt, zur Besserung der Lage beizutragen.
„Ein AlkoholVerkaufsverbot muss möglich sein.“Falko Droßmann zum „Cornern“
Muss das Lampedusa-Zelt weg?
Das ist Sache der Innenbehörde. Für mich ist das keine politische Demonstration. Mit Lampedusa hat das nichts mehr zu tun. Wäre das mein Rechtsbereich, wäre das Zelt nicht mehr da. Das sage ich aus tiefer Überzeugung und nach vielen Gesprächen mit den Leuten.
Was sagen Sie zum Hansaplatz?
Der bleibt eine Problem-Ecke. Hier gibt es einen KulturClash, Welten treffen aufeinander. Auf der einen Seite sind junge Familien eingezogen, auf der anderen Seite gibt es viele Prostituierte. Ich habe nichts gegen Prostitution, das gehört zu unserer Kultur als Hafenstadt. Solange die Prostituierten geschützt sind und es sich nicht um Menschenhandel handelt, ist das Gewerbe vollkommen okay. Aber die Anwohner stört das trotzdem. Damit alle Interessen vertreten werden, habe ich einen runden Tisch mit 40 Trägern eingeführt – daraus ist etwa der Weckdienst für Obdachlose entstanden. Das Interview führten
MIKE SCHLINK UND ANKEA JANSSEN
Bezirks-Boss Falko Droßmann