Der provozierte Skandal
Erst teilt die AfD-Frontfrau kräftig aus. Als der CSU-Politiker Scheuer zurückschießt, stürmt sie aus dem Studio
Wahlkampf im TV, am Dienstagabend ausnahmsweise mal nicht im Modus einer Gute-NachtGeschichte: Alice Weidel, Spitzenfrau der AfD, stürmte angefressen aus dem ZDFStudio. Was war passiert? Eigentlich nichts. Daher liegt der Verdacht nahe, dass die Aufregung inszeniert sei, um sich mal wieder als Opfer zu stilisieren.
Eigentlich war gar nichts passiert: Ein üblicher Wahlkampf-Talk im ZDF. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Justizminister Heiko Maas (SPD), Katja Kipping (Die Linke), Katja Suding (FDP), Andreas Scheuer (CSU), Jürgen Trittin (Grüne) und Alice Weidel (AfD) „talken“, das Gespräch plätschert eher so vor sich hin. Dabei ist es Alice Weidel, die zunächst kräftig austeilt: Während der CSUGeneralsekretär gerade erklärt, was er unter „gelungener Integration“versteht, unterbricht ihn Weidel, wiederholt mehrfach, „also soll illegale Einwanderung legalisiert werden“. Scheuer schießt verbal zurück, beide sprechen gleichzeitig, der Bayer fordert von Weidel, sie solle sich von Höcke distanzieren, „den Gauland als die Seele der AfD bezeichnet“habe. Scheuer weiter: „Für mich ist er nur ein Rechtsradikaler...“Vielleicht stank der AfD-Frau, dass Scheuer für diesen Return viel Beifall beim Publikum bekam. Jedenfalls stürmt die 38-Jährige mit sauertöpfigem Gesicht aus dem Studio, unter Buhrufen der Zuschauer.
Höcke ein Rechtsradikaler – diese Behauptung würden sogar AfD-Mitglieder unterschreiben. Schließlich läuft
gegen den Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag ein Parteiausschlussverfahren, nachdem er im Zusammenhang mit dem Berliner Holocaust-Memorial vom „Mahnmal der Schande“gesprochen hatte.
In einer in Rekordzeit verbreiteten (und grafisch dennoch aufwendigen) OnlineErklärung begründete Weidel ihren Abgang überraschend nicht mit Scheuers Attacke. „Die Moderatorin Slomka hat sich als parteiisch und vollkommen unprofessionell geoutet“, heißt es da, verbunden mit einer FundamentalKritik am öffentlichrechtlichen Fernsehen (sowie dem Rundfunkbeitrag). Und weil es sich nicht um den ersten AfD-Vorstoß dieser Art handelt, glaubt der Medienwissenschaftler Jo Groebel, dies sei „ein naheliegendes Mittel, Aufmerksamkeit, Schlagzeilen, Emotionen und gegebenenfalls auch die Bestätigung von Opferrolle und Ausgrenzung
durch die Etablierten zu bekommen“, sagte er der „Heilbronner Stimme“.
Das ZDF wies die Kritik an Slomka zurück. „Marietta Slomka hat die Runde mit sieben Politikern und sechs Bürgern fair und gelassen moderiert“, so ZDF-Chefredakteur Peter Frey. „Ich hoffe, dass bei künftigen Wahlformaten nicht Inszenierungen, sondern der politische Streit im Mittelpunkt steht.“
Alexander Gauland, Weidels Partner als AfD-Spitzenkandidat, muss sich vor einem Wahlkampfauftritt in Nürnberg einen neuen Veranstaltungsort suchen. Nach seiner Bemerkung, die in
Hamburg geborene Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) in „Anatolien entsorgen zu wollen“hat die Stadt Nürnberg den Mietvertrag in der bekannten Meistersingerhalle gekündigt. „Es ist nicht auszuschließen, dass Herr Gauland so etwas wieder sagen wird“, sagte der Sprecher. Dies könne den Ruf Nürnbergs beschädigen, das sich als Stadt des Friedens und der Menschenrechte verstehe.
Die Kommune begründet das mit den Bedingungen des Mietvertrags: Darin heißt es, dass die Stadt nach vorheriger Abmahnung und einer angemessenen Frist den Vertrag widerrufen kann – wenn eine Störung der öffentlichen Ordnung oder eine Schädigung des Ansehens der Stadt zu befürchten sei.
Die AfD will das vor Gericht anfechten.
„Für mich ist Höcke nur ein Rechtsradikaler ...“Scheuer (CSU) im ZDF-Talk