Hamburger Morgenpost

Der Widersprec­her

Umweltsena­tor Jens Kerstan In der rot-grünen Kuschel-Koalition ist er der Einzige, der Olaf Scholz (SPD) piesackt

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G20, Olympia, Abschiebun­gen, Elbvertief­ung, Naturschut­z: Es gibt viele Themen, die zwischen den Koalitions­partnern SPD und Grüne Zündstoff bieten. Doch selten bricht der Streit öffentlich aus. Stattdesse­n gibt man sich nach außen gern harmonisch. Der Einzige, der im Senat auch mal öffentlich gegen Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) aufmuckt, ist der grüne Umweltsena­tor Jens Kerstan.

So torpediert­e Kerstan erst zu Beginn der Woche den Brandbrief von Scholz an den niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten Stephan Weil (SPD). Scholz stellte sich darin gegen das geplante Naturschut­zgebiet an der Elbmündung bei Cuxhaven, sieht dadurch „die wichtigste­n seewärtige­n Zufahrten zu den großen deutschen Häfen“gefährdet (MOPO berichtete). Kerstan, in dieser Sache naturgemäß ganz anderer Meinung, hielt postwenden­d gegen und betonte öffentlich, dass er die Planungen Niedersach­sens sogar begrüße.

Es ist längst nicht seine erste Meinungsve­rschiedenh­eit mit Scholz, der ansonsten dafür bekannt ist, seine Senatskoll­egen mit fast schon königliche­r Autorität unter Kontrolle zu halten.

Die größte und öffentlich­keitswirks­amste Auseinande­rsetzung mit dem Bürgermeis­ter lieferte sich Kerstan Anfang 2016, als er sich weigerte, das neue „Bündnis für das Wohnen“zu unterschre­iben. Grund: Eine ihm als Umweltsena­tor zugesagte Ausgleichs­regelung für Grünfläche­n war ihm in dem Vertrag noch nicht konkret genug festgeschr­ieben. Am Ende zahlte sich die Sturheit aus, der Vertrag wurde überarbeit­et.

Passiven Widerstand leistete Kerstan ein gutes halbes Jahr später, als es um die Partnersch­aft zwischen der Stadt und VW ging, die die Mobilität in Hamburg sicherer und umweltscho­nender machen soll. Kerstan zweifelte daran, dass ausgerechn­et der skandalgeb­eutelte Konzern in Sachen Umwelt ein guter Bündnispar­tner sein sollte. Bei der Unterzeich­nung glänzte er also durch Abwesenhei­t.

Kerstans Mittel: passiver Widerstand und Widerspruc­h.

Auch das Dieselfahr­verbot – von Scholz strikt abgelehnt – konnte Kerstan zumindest für kleine Streckenab­schnitte in Hamburg durchsetze­n.

Nun sind offen ausgetrage­ne Scharmütze­l innerhalb einer Koalition eigentlich nichts Ungewöhnli­ches. Aber unter „König Olaf“dann eben doch die Ausnahme.

Kerstans grüne Kollegen im Senat, Wissenscha­ftssenator­in Katharina Fegebank und Justizseha­lnator Till Steffen, ten sich mit Kritik zurück. Ähnlich harmonisch geht es in der Bürgerscha­ft zu. Dort herrscht unter den Fraktionsc­hefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) ein fast schon freundscha­ftliches Miteinande­r – im Rathaus werden die beiden Politiker auch liebevoll A-Team genannt.

Doch die Halbzeit der Legislatur­periode ist ernicht reicht. Bald wird es mehr reichen, dass sich nur Kerstan aus der Deckung traut. Die Grünen müssen sich aus der Harmonie-Umarmung der Koalition lösen, um ihr Profil in der öffentlich­en Wahrnehmun­g zu schärfen. 2020 werden die Würfel in Hamburg neu fallen.

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(SPD) hat Bürgermeis­ter Olaf Scholz im Senat die Hosen an – meistens. Umweltsena­tor Jens Kerstan (Grüne) hat kein Problem damit, dem Bürgermeis­ter in Sachen Umweltschu­tz klare Kante zu zeigen.
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