„Dem Hass nicht weichen“
Noch 12 Tage Kanzlerin Merkel im Exklusiv-Interview über Störer auf Wahlveranstaltungen, Diesel-Fahrverbote und Flüchtlingspolitik
Berlin – Keine zwei Wochen mehr bis zur Wahl: Der Kampf um die Stimmen der Wähler wird schärfer. Im Interview mit der DuMont Mediengruppe (zu der auch die MOPO gehört) sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Hass, der ihr und anderen Politikern vor allem in östlichen Bundesländern entgegenschlägt, über den Diesel-Skandal und über ihre Flüchtlingspolitik.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den massiven Protest vieler Bürger auf ihren Wahlveranstaltungen als Ausdruck von Hass bezeichnet – was die Betroffenen unerreichbar für politische Argumente macht. „Ein erheblicher Teil hört keine Sekunde zu und kommt auch gar nicht, um für Argumente erreichbar zu sein“, sagte Merkel im Interview mit der DuMont Mediengruppe. „Auslöser mögen konkrete politische Entscheidungen sein, aber Menschen, die dort pfeifen und brüllen, haben erkennbar kein Interesse mehr, zuzuhören.“
Die Kanzlerin sprach im Zusammenhang mit den aggressiven Störungen ihrer Auftritte von „Hass“, dem sie allerdings bewusst nicht ausweichen wolle. „Mir ist es wichtig, auch im Wahlkampf nicht nur die vermeintlich bequemen Orte zu besuchen“, betonte Merkel. Sie wolle vor allem den vielen Menschen, die zuhören und sich eine Meinung bilden wollen, die Möglichkeit dazu geben. „Und jede Veranstaltung ist auch eine Ermutigung derer, die sich gegen Hass stellen.“
Man dürfe nicht vergessen, dass auf den Plätzen die „Menschen, die zuhören
und sich demokratisch informieren möchten“, immer „in der großen Mehrzahl“seien, sagte Merkel.
Nach Fahrverboten lehnte die Kanzlerin nun auch Tempolimits als Konsequenz aus dem DieselSkandal ab. Sie sagte: „Generelle Tempolimits sind falsch. Über das autonome Fahren bekommen wir besser gelenkte Verkehrssysteme mit Richtgeschwindigkeiten. Bei alternativen Antrieben gibt es keine Emissionen und laut ist es dann auch nicht mehr.“Sie sei ohnehin „kein Freund von Verboten“, so die Kanzlerin. „Ich bin mehr für evolutionäre Übergänge.“
Mit Blick auf Europa hat Angela Merkel Ungarns Regierung scharf dafür kritisiert, dass sie sich dem jüngsten Urteil des höchsten europäischen Gerichtes
zur Flüchtlingsaufnahme widersetzt. „Dass eine Regierung sagt, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs interessiere sie nicht, das ist nicht zu akzeptieren“, so Merkel. Ihren grundsätzlichen Kurs in der EU-Flüchtlingspolitik sieht die Kanzlerin durch die Verweigerung einiger osteuropäischer Staaten allerdings nicht gefährdet. „Es ist ein offensichtlich sehr dickes Brett, das da zu bohren ist“, sagte sie. Die gesamte EU sei sich einig über den Schutz der Außengrenzen, über Entwicklungshilfe und Bekämpfung der Fluchtursachen sowie die Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Staaten.
Ihre Entscheidung, ob Kriegsflüchtlinge in Deutschland künftig wieder ihre Frauen und Kinder nachholen dürfen, macht Merkel von der Umsetzung des Familiennachzugs für anerkannte Asylsuchende nach der Genfer Flüchtlingskonvention abhängig. Diese Flüchtlinge haben einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug, sagte Merkel. „Dieser Gruppe müssen wir erst einmal zu ihrem Recht verhelfen.“
Für Flüchtlinge, die den sogenannten subsidiären Schutz haben, ist der Familiennachzug bis zum nächsten Frühjahr ausgesetzt. CSU-Chef Horst Seehofer und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fordern, die Aussetzung zu verlängern. Merkel will „Anfang des Jahres die Lage beurteilen und dann entscheiden, wie es weitergeht“. Solche Entscheidungen seien „immer wieder eine Abwägung, und es sind immer wieder schwere Entscheidungen, wenn wir an die Einzelschicksale denken“.