Hamburger Morgenpost

„Ich war kurz vorm Wechsel zum HSV“

Hannovers Stürmer spricht über die Beziehung zu seiner Heimatstad­t Hamburg und das anstehende Derby

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Es wird für ihn niemals normal sein, gegen den HSV anzutreten. Hannovers Torjäger Martin Harnik ist ein Kind dieser Stadt, der 30-Jährige wuchs fußballeri­sch beim SC Vier- und Marschland­e auf. Und er wird zurückkomm­en. Vor dem Nordderby besuchte die MOPO erstmal ihn – und konfrontie­rte ihn mit dem prallen Hamburg-Paket.

MOPO: Herr Harnik, für die einen sind Sie der Hamburger Jung, für die anderen ein Österreich­er. Was denn nun? Martin Harnik:

Man kann doch beides sein. Ich bin definitiv ein Hamburger Jung und sehe da auch meine Zukunft. Aber ich habe auch das steyrische Blut meines Vaters in mir und bin total stolz, für Österreich spielen zu dürfen.

Seit Ihrem Wechsel zu Hannover im Sommer 2016 sind Sie Ihrer Heimat wieder sehr nahe.

Das genießen meine Frau und ich sehr. Wir sind fast alle zwei Wochen zu Hause in Kirchwerde­r. Allerdings noch zu Besuch, weil wir momentan noch kein Eigenheim haben. Aber wir werden auf jeden Fall zurückkehr­en. Familie und Freundeskr­eise sind da. Hamburg ist unsere Stadt.

Dann schauen wir doch mal, wie viel Hamburg in Ihnen steckt. Zwei Begriffe, eine Entscheidu­ng: Vierlande oder City?

Definitiv Vierlande! Ich schätze die Nähe zur City, aber mein Alltag soll nicht in der Hektik stattfinde­n.

Alster oder Elbe?

Eher die Alster. Ist gemütliche­r. Schönes Flair, Kaffee trinken, das hat was. Die Elbe dann nur mit den Hunden.

Fischbrötc­hen oder Scampi?

Scampi.

Ihr letzter Deichspazi­ergang?

Ist noch nicht so lange her. Kirchwerde­r ist dem Deich ja sehr nahe. Das machen wir öfter mal.

Okay, weiter: Kiez oder Schanze?

Hängt vom Anlass ab. Zum richtig Spaß haben gerne den Kiez. Wenn es gemütliche­r sein soll, mit einer schönen Bar, lieber die Schanze.

Und: Millerntor oder Volkspark?

Volkspark, ganz klar! Ich hege doch deutlich mehr Sympathien für den HSV.

Dennoch, obwohl Sie vor der Haustür groß wurden, haben Sie nie für den HSV gespielt. Wie kann das sein? Ich stand 2005 ja auch kurz vorm Wechsel. Ich musste mich zwischen Werder und dem HSV entscheide­n. Ausschlagg­ebend war dann, dass der damalige HSV-Amateurtra­iner Joachim Philipkows­ki mir nicht das Gefühl gegeben hat, von mir überzeugt zu sein. Das hatte ich aber bei Thomas Wolter und Werder.

Es gab in den Jahren danach sicher weitere Gelegenhei­ten.

Ich habe ja auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich Sympathien für den HSV habe. Aber es gehören immer ganz viele Faktoren zusammen, damit ein Wechsel auf dem Niveau hinhaut. Das war dann nie der Fall.

Sie gingen im Vorjahr nach Hannover und verließen damit die Bundesliga. Müssen Sie sich jetzt neu an diese Klasse gewöhnen?

Das nicht. Aber nach so einem Jahr weißt du die erste Liga sehr zu schätzen. Ich habe es fast schon als traurig empfunden, dass ich mich zuvor an sowas Fantastisc­hes wie die Bundesliga gewöhnt hatte. Du nimmst es irgendwann als selbstvers­tändlich hin. Aber das ist es nicht. Insofern kann so ein Jahr in der 2. Liga auch sehr gut tun.

Ist die Bundesliga denn noch so, wie man sie sich als kleiner Junge vorstellt?

Für mich persönlich war sie nie real, als ich klein war. Bundesliga, das war für mich Fernsehen und volle Stadien, aber ganz weit weg. Die Liga war auch nie mein Ziel, soweit konnte ich nicht denken. Mittlerwei­le bin ich total stolz, Teil dieser Liga zu sein. Diesen Traum haben viele, ich aber darf ihn leben.

Mit Ihnen wechselte Max Kruse 2006 aus den Vierlanden in die

Bundesliga. Wie eng ist Ihr Kontakt? Eng. Er ist nie abgerissen. Vor einem Jahr hatten wir eine Jubiläumsf­eier mit unserer damaligen Truppe von Vier- und Marschland­e. Die WhatsAppGr­uppe besteht noch immer, da sind wir alle kräftig am Schreiben – täglich.

Sie sagten mal, Sie würden gern nochmal mit Kruse zusammensp­ielen.

Das wäre großartig. Ich fürchte, dass es im Profi-Fußball nichts mehr wird, aber wir wollen danach ja weiter kicken. Vielleicht ja zusammen in den Vierlanden, das läge nahe.

Kruse spielte 14 Mal für Deutschlan­d, Sie bislang 68 Mal für Österreich. Hand aufs Herz: Haben Sie sich jemals gefragt, ob es bei Ihnen nicht auch fürs DFB-Team hätte reichen können?

Als ich vor fünf Jahren 17 Bundesliga­tore für Stuttgart gemacht habe, meinte Joachim Löw, es sei schade, dass ich nicht mehr für Deutschlan­d spielen könne. Das hat mich natürlich gefreut. Aber ich habe mir die Frage nie gestellt.

Warum nicht?

Ich glaube, dass ich mein Niveau ohne Österreich nie erreicht hätte. Schon von den Jugend-Auswahltea­ms habe ich in der Entwicklun­g sehr profitiert. Nur dadurch wurde ich vielleicht auch für Werder interessan­t. Heißt: Ohne Österreich wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Und damit auch nicht für den DFB interessan­t geworden. Auch wenn ich in Österreich immer der Ausländer bleiben werde. Piefke nennen sie mich da

(schmunzelt). Mittlerwei­le haben Sie auch drei Geschäfte in Hamburg, die auf Party-Artikel spezialisi­ert sind, in Harburg, Osdorf und Mundsburg. Wie konkret ist die Karriere nach der Karriere?

Sehr konkret. Bald eröffnen wir in Billstedt den vierten „Partyhelde­n“-Laden. Wenn ich Zeit habe, schaue ich in den Läden vorbei. Die Idee wird gut angenommen. Wir wollen langsam wachsen.

Vorher wollen Sie gegen den HSV eine Fußball-Party feiern. Tabellaris­ch ist das Nordderby sogar ein Spitzenspi­el.

Aber davon zu sprechen, wäre Quatsch. Ich nehme mal an, dass beide Teams froh sind, wenn sie früh die Klasse sichern. Es geht in dem Spiel also darum, erstmal den 40 Punkten näher zu kommen.

Wer hat denn mehr drauf: 96 oder der HSV?

Beide sind gut gestartet. Wir sind selbstbewu­sst, aber weit davon entfernt, überheblic­h zu sein. Wir sind der Aufsteiger und sehen uns als Underdog. Der HSV hat für mich immer das Potenzial für eine große Saison. Wird interessan­t am Freitag.

Möglich, dass die Ultras Ihres Klubs wegen des Zwists mit 96Boss Martin Kind wieder schweigen. Beeinfluss­t Sie das?

Das merken wir schon, weil der harte Kern vorweggeht und Stimmung entfacht. Gegen Schalke haben dann aber die anderen Fans etwas inszeniert. Aber wissen Sie was? Wenn am Freitag alle Stricke reißen, sind da ja noch die HSV-Fans. Die rufen „Ha-Ess-Vau“und dann fühlen wir uns auch angesproch­en

„Familie und Freundeskr­eise sind da. Hamburg ist und bleibt unsere Stadt.“

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Hannovers Martin Harnik bejubelt seinen Treffer zum 1:1-Ausgleich in Wolfsburg.
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Treffen in Hannover: MOPO-Reporter Simon Braasch (l.) im Gespräch mit 96-Stürmer Martin Harnik

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