Multi-Millionär als MassenMörder
Der reiche Rentner Stephen Paddock erschoss in Las Vegas 59 Menschen. Die Suche nach dem Motiv für den schlimmsten Amoklauf der US-Geschichte, die Diskussion um Amerikas Waffen-Irrsinn
Las Vegas – Was geht im Kopf eines Mannes vor, der aus heiterem Himmel 59 Menschen ermordet, der mit Salven aus seinem Waffenarsenal weitere 527 Menschen verletzt hat? Nach dem Massaker von Las Vegas suchen die Ermittler ein Motiv. Stephen Paddock, ein 64-jähriger pensionierter Buchhalter, hinterließ keine Erklärung für seine Bluttat. Und vielleicht wird man das Grauen von Las Vegas nie verstehen können.
Ein „Akt des absolut Bösen“– so bezeichnete US-Präsident Donald Trump Paddocks Massaker. Was eben auch nicht verrät, warum der begüterte Rentner die Menschenmenge bei einem Konzert am berühmten Las Vegas Strip systematisch und ganz in Ruhe unter Beschuss nahm. Denn nichts an der Vorgeschichte von Stephen Craig Paddock liefert ein Motiv für eine der grausamsten Gewalttaten in der jüngeren US-Geschichte.
Fest steht mittlerweile: Paddock handelte allein, schleppte drei Tage lang nach und nach ein monströses Waffenarsenal auf sein Zimmer im 32. Stock des „Mandalay Bay Hotels“. Las-VegasSheriff Joseph Lombardo: „Wir glauben, dass es ein Einzeltäter ist. Ein einsamer Wolf.“
Ein einsamer Wolf mit viel Geld und viel Zeit: Der 64Jährige war im Ruhestand – ein vermögender früherer Buchhalter, der nach Medienberichten in Immobilien investierte, zwei üppige Häuser besaß. Ein geschiedener Mann, keine Kinder. „Er war ein sanfter Riese“, sagte ein früherer Nachbar. „Sehr groß und sehr freundlich.“
Paddocks Leidenschaft: das Glücksspiel. Paddocks Bruder Eric sagte US-Medien, sein Bruder sei hin und wieder nach Las Vegas gefahren, um mit hohen Beträgen dem Glücksspiel nachzugehen. „Er hat höher gespielt als der Durchschnitt“, sagte Eric Paddock. Er habe aber auch viel mehr Geld gehabt als der Durchschnitt. „Er war ein wohlhabender Kerl, er ging auf Kreuzfahrten“, sagte sein Bruder. „Er konnte sich leisten, was er wollte.“Seinen Bruder beschrieb er als Normalbürger, der niemals auch nur einen Strafzettel für Falschparken bekommen hat.
Und ein Motiv? Da muss auch Eric Paddock passen. Stephen sei kein Waffennarr oder Fanatiker gewesen, weder politisch noch religiös – deshalb nahm auch gestern niemand das Bekenntnis der Terror-Miliz IS zum Blutbad wirklich ernst. „Es ist, als ob gerade ein Asteroid auf unsere Familie niedergestürzt wäre. Wir haben keine Ahnung, wie das passiert ist“, so Eric Paddock.
Einziger Widerspruch zum Heile-Welt-Vorstadtleben des Massenmörders: Paddocks verstorbener Vater war ein Bankräuber und wurde zeitweise vom FBI auf der Liste
der zehn meistgesuchten Verbrecher geführt. Doch nach Darstellung von Eric Paddock hatten er und sein Bruder keinen Kontakt zum Vater.
Paddock muss vernarrt gewesen sein in Waffen und seine Gewaltfantasien: Im Hotelzimmer fand die Polizei 23 Schusswaffen, darunter Sturmgewehre, einige mit Zielfernrohr. Weitere 19 Waffen, mehrere Tausend Schuss Munition und Sprengsätze lagerte Paddock in seinem Haus in Mesquite, einer rund 130 Kilometer von Las Vegas entfernten Kleinstadt. Im Auto des Verdächtigen entdeckten die Fahnder Ammoniumnitrat, das zur HerSprengsätzen stellung von dienen kann.
In seiner prächtigen Suite im Hotel-Casino „Mandalay Bay“– mehrere Räume, eine ausladende Hausbar, das Reich eines sehr begüterten Spiel-Profis – hatte der grauhaarige bärtige Mann direkte Sicht auf das Konzertgelände – hier lief das „Route 91 Harvest“Festival mit bekannten CountryStars.
Am Sonntagabend zerschlug Paddock dann kurz nach 22 Uhr Fensterscheiben seiner Suite. Und drückte ab, mit automatischen Waffen, minutenlang. Ließ nur zum Nachladen von dem Blutbad ab, dann folgten neue schier endlose Salven. So lange, bis eine Waffe so stark qualmte, dass sie den Feueralarm auslöste – und so Polizisten auf seine Spur brachte. Als Sondereinheiten den Sturm auf sein Zimmer vorbereiteten, feuerte er noch durch die Zimmertür und verletzte einen Sicherheits-Mitarbeiter des Hotels. Dann erschoss sich Stephen Paddock selbst. Das Morden hatte endlich ein Ende.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft schlug gestern den Verletzten und den Hinterbliebenen der Toten entgegen: Privatpersonen stifteten Flüge und Hotelzimmer, Tausende standen Schlange, um Blut zu spenden.