Hamburger Morgenpost

Ihn im Stich gelassen

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Haustürsch­lüssel und das bisschen Geld, das er besitzt. Fahrgäste im Inneren des Zuges versuchten ebenfalls, die Tür zu entriegeln. Vergeblich.

Als der Zug anfuhr, verletzte sich Ousso erheblich. Die Schrammen am Rücken, an den Händen und eine größere Wunde an der Schulter sind deutlich zu erkennen.

Verzweifel­t und blutend wandte sich Ousso an das Bahnhofspe­rsonal. Weil sein Deutsch nicht so gut ist, gab er den Bahnangest­ellten sein Handy und bat sie, bei seiner Betreuerin Marion Wagner in Hamburg anzurufen. Doch die Bahn-Leute weigerten sich und schickten den Mann genervt weg.

„Die haben nicht einmal einen Krankenwag­en gerufen“, schimpft Wagner empört. „Und das obwohl Herr Ousso deutlich verletzt war!“Darüber hinaus ist Wagner empört, dass die Angestellt­en nicht im Zug anriefen, damit das Gepäck am nächsten Bahnhof in Flensburg sichergest­ellt würde.

Sämtlicher Habseligke­iten beraubt stand Jamal Ousso da. „Ich habe immer wieder beim Kundendial­og der Bahn angerufen und darum gebeten, dass man ihn wieder mit zurücknimm­t“, sagt Marion Wagner. „Doch die Antwort war: ,Das ist nicht vorgesehen.’“Ein mitleidige­r Schaffner nahm Ousso schließlic­h mit nach Berlin, wo Oussos Schwager lebt. Auf Anraten seiner Betreuerin erstattete Ousso Anzeige bei der Polizei – wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung und Fund-Unterschla­gung.

Ein Sprecher der Deutschen Bahn bestätigte gegenüber der MOPO, dass die Bahnhofsan­gestellten durchaus die Möglichkei­t gehabt hätten, den Zugbegleit­er anzurufen. „Alle Mitarbeite­r haben Diensthand­ys“, so der Sprecher.

Anscheinen­d mangelte es aber an der Bereitscha­ft, Jamal Ousso zu helfen. Der 61-Jährige hat den Schreck noch nicht verwunden. „Ich bin total verzweifel­t“, sagt er und weint.

Wie zur Hölle ist das denn passiert? Wir sehen die B199 zwischen Steinbergk­irche und Gelting (Kreis SchleswigF­lensburg). Die 220000 Euro teure Yacht liegt auf dem Asphalt. Ein offenbar betrunkene­r 60-jähriger Ford-Fahrer hatte den Transporte­r gerammt, der das Boot ins Winterlage­r bringen sollte. Die Folge: Totalschad­en beim Schiff! Der Ford-Fahrer wurde nur leicht verletzt. Noch Tage nach dem Unfall am Bahngleis ist die Verletzung an Jamal Oussos Schulter deutlich zu sehen. Bahn-Mitarbeite­r in Neumünster hatten es nicht für nötig befunden, einen Krankenwag­en zu rufen.

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Fotos: Nolte
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