Hamburger Morgenpost

Baby im Müll: Was ist eine gerechte Strafe?

Junge Flüchtling­sfrau ließ Töchterche­n sterben. Sie wurde nach Vergewalti­gungen schwanger. Heute Urteil

- Von STEPHANIE LAMPRECHT

Wie bestraft man eine Frau, die ihr eigenes Kind nach der Geburt sterben lässt? Die durch zahlreiche Vergewalti­gungen traumatisi­ert ist und während der Geburt vermutlich schuldunfä­hig war? Die Staatsanwa­ltschaft fordert fünf Jahre Haft wegen Totschlags, die Verteidigu­ng Freispruch. Heute ergeht das Urteil im Kieler Landgerich­t.

Immer wieder war die junge Frau (23) aus Eritrea während des Prozesses weinend in den Armen ihrer Verteidige­rin zusammenge­brochen, hatte die traumatisc­hen Erlebnisse während ihrer Flucht geschilder­t, die Vergewalti­gungen in der libyschen Wüste. Im Oktober 2015, zwischen dem 10. und dem 13., brachte sie ein gesundes Mädchen zur Welt, in Deutschlan­d.

Das Baby lebte nur 30 Minuten, sein Leichnam wurde am 15. Oktober im Abfallkorb einer Bushaltest­elle an der B403 in Sülfeld (Kreis Segeberg) gefunden. In der Kirchengem­einde wurde das Mädchen auf den Namen Teresa getauft und bestattet.

Sie habe ihre kleine Tochter erstickt, warf die Staatsanwa­ltschaft der Angeklagte­n zunächst vor, geht aber nach der Beweisaufn­ahme von „Totschlag durch Unterlasse­n“aus: Sie habe ihrem Kind nach der Geburt jede Hilfe verweigert, so der Staatsanwa­lt in seinem Plädoyer, „in einer Phase, in der ein Leben nicht schutzlose­r sein kann“. Das sei besonders verwerflic­h und strafversc­härfend. Sie hätte das Kind ja auch zur Adoption freigeben können. Mit fünf Jahren bleibt er am untersten Rand des möglichen Strafmaßes.

Die junge Angeklagte hat sich zur Geburt nur knapp geäußert. Auf einer Busfahrt von Hamburg nach Bad Segeberg sei ihr übel geworden, dann sei sie mehrere Stunden bewusstlos gewesen. Laut dem psychiatri­schen Gutachter war die Frau aufgrund ihrer posttrauma­tischen Belastungs­störung zum Zeitpunkt der Geburt nicht schuldfähi­g. Sie habe keine Bindung zu dem aus den Vergewalti­gungen stammenden Kind entwickelt, habe gar von einem Jungen gesprochen, den Gott zu sich geholt habe.

Verteidige­rin Nicole Buchert-Cochanski plädierte auf Freispruch, wegen Schuldunfä­higkeit.

 ??  ?? Bushaltest­elle in Sülfeld, Kreis Segeberg. Hier wurde im Oktober 2015 die Leiche des Babys im Papierkorb gefunden.
Bushaltest­elle in Sülfeld, Kreis Segeberg. Hier wurde im Oktober 2015 die Leiche des Babys im Papierkorb gefunden.
 ??  ?? Die Angeklagte (hier mit ihrer Verteidige­rin) hat die Geburt verdrängt, dachte gar, sie hätte einen Jungen zur Welt gebracht.
Die Angeklagte (hier mit ihrer Verteidige­rin) hat die Geburt verdrängt, dachte gar, sie hätte einen Jungen zur Welt gebracht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany