Hamburger Morgenpost

Abriss einer Legende

Eilbek Fast 40 Jahre lang gaben sich im „Corner 57“Kiezgrößen, Promis und Box-Weltmeiste­r ein Stelldiche­in. Jetzt ist Schluss

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Wenn Polizisten vor 25 Jahren über Funk zu einem Einsatz ins „Corner 57“an der Wandsbeker Chaussee gerufen wurden, holten sie gleich die schusssich­eren Westen aus dem Kofferraum ihrer Peterwagen. In dem legendären MilieuTref­f wurde der eine oder andere Halbweltle­r vom roten Barhocker geschossen oder niedergest­ochen. Seit gestern nun wird der Disco-Pub abgerissen.

Erst boxen, dann saufen – so kämpfte sich Box-Weltmeiste­r Dariusz Michalczew­ski jahrelang durchs Hamburger Nachtleben. Und ganz besonders gern hing er am plüschigen Tresen des „Corner 57“ab. Da war er nicht allein.

Werner Böhm („Gottlieb Wendehals“), Box-Legende René Weller, Sänger Drafi Deutscher (✝ 60) und Schauspiel­er Heinz Hoenig genossen alle den morbiden Charme des Ladens, den die Kiez-Legende Jonny Kern (✝ 73) Ende der 70er Jahre unter dem Namen „Marquise“eröffnet hatte.

Als Belohnung für „treue Dienste“soll Kern den Laden vom Kiez-Paten Wilfried Schulz bekommen haben. Schnell baute er das später in „Corner 57“umbenannte Lokal zu einer Art Szene- und Promi-Treff aus. Die eine oder andere gewalttäti­ge Auseinande­rsetzung störte die Gäste nicht. Das Lokal lief bombig.

Doch Wirt Jonny Kern hatte eine Schwäche fürs Glücksspie­l – und er verlor oft. Gewinner war, so die Milieu-Legende, ein Mann namens Felix Osmani. Und der fuhr irgendwann Mitte der 90er Jahre im roten Ferrari Testarossa am „Corner 57“vor. Und war ab da der Boss. Noch eine Legende: Der glückliche Felix stammte aus dem Kosovo, genoss bei seinen Landsleute­n hohe Anerkennun­g und soll im „Corner“regerecht Hof gehalten haben. So richtig friedlich aber wurde es dort dennoch nicht.

Nach 2000 wechselten die Wirte teils jährlich. Ein cholerisch­er Chef schleifte einmal eine Hure an den Haaren aus dem Lokal. Der Grund: Sie hatte aus Versehen ihr Sektglas umgestoßen. Ein anderer Gastronom drehte durch und zertrümmer­te das Mobiliar. Schließlic­h versuchte ein Russe sein Glück mit dem Konzept „Flatrate saufen“. Kein Erfolgsmod­ell! Promis kamen da schon lange nicht mehr. Zuletzt gelangte das „Corner 57“2016 in die Schlagzeil­en: Unbekannte hatten aus einem fahrenden Auto heraus mit einer Pistole auf die Kneipe gefeuert. Verletzt wurde niemand.

Gestern nun rückten Arbeiter an, rissen die Einrichtun­g raus. In ein paar Tagen wird das „Corner 57“Geschichte sein. Das Bauunterne­hmen „Ultimate Project“errichtet bis 2018 ein Mietshaus mit elf Wohnungen.

 ??  ?? Der Bauzaun steht schon, in wenigen Tagen wird das „Corner 57“an er Wandsbeker Chaussee Geschichte sein.
Der Bauzaun steht schon, in wenigen Tagen wird das „Corner 57“an er Wandsbeker Chaussee Geschichte sein.
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Trafen sich im „Corner 57“: Boxer Artur Grigorian und Busen-Modell Lolo Ferrari

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