Spitzen fair ein St. Pauli
Keine Mannschaft spielt weniger Foul – seit Jahren! 121 Spiele in Serie ohne Platzverweis. In der MOPO sprechen Profis und Trainer über die „Fairteidigung“
In der Tabelle der 2. Bundesliga rangiert der FC St. Pauli derzeit auf Rang sechs und will mit einem Sieg am Freitag gegen Kaiserslautern weiter nach oben klettern. In einem Ranking sind die Kiezkicker bereits Spitze – und das ist weder eine Momentaufnahme, noch Zufall und schon gar nicht nebensächlich, sondern elementar für St. Paulis Spiel. Die Hamburger sind Spitzenreiter der Fairnesstabelle. Fairness-Tabelle! Wer jetzt auflacht, sollte unbedingt weiterlesen. Die MOPO liefert erstaunliche Fakten und lässt bei der Frage nach der Bedeutung des Rankings (siehe rechts) und den Ursachen für St. Paulis Spitzenplatz Kämpfertypen wie Lasse Sobiech und Christopher Buchtmann sowie Trainer Olaf Janßen zu Wort kommen.
Die nackten Zahlen: Keine Mannschaft hat in dieser Saison weniger Gelbe Karten gesehen als die Braun-Weißen: zehn. Im Schnitt ist das eine (!) Verwarnung pro Spiel. Noch bemerkenswerter (und entscheidender): kein Team hat so wenig Foul gespielt: 104 Mal.
SpitzenFAIRein St. Pauli! „Das ist super für uns. Vorbildlich“, sagt Buchtmann. Vor allem aber ist es wichtig. Warum, erklärt Trainer Olaf Janßen: „Es sagt aus, dass wir nicht gezwungen sind, viele Fouls zu begehen. Fouls sind immer ein letzter Notanker, wenn man die Situation nicht fußballerisch lösen kann. Im Umkehrschluss sagt es aus, dass wir sehr oft fußballerische Lösungen finden.“Mit mangelnder Aggressivität habe das nichts zu tun, betont Sobiech. „Wir ziehen
„Ein Foul bedeutet immer: verlorener Zweikampf.“Christopher Buchtmann
nicht zurück und hauen auch mal dazwischen“, stellt der Innenverteidiger klar. Hart aber eben möglichst fair.
Die niedrige Anzahl von Fouls und Karten ist im Fall von St. Pauli vielmehr ein Resultat von Cleverness im Zweikampf, körperlicher Fitness und Disziplin. „Dem stimme ich in allen drei Punkten zu“, sagt Janßen. „Wir versuchen zum Beispiel, unnötige Fouls wie Wegschubsen oder Ähnliches wegzulassen. Das verlangen wir von unseren Spielern“, so der Coach.
„Die Mannschaft hat in den letzten zwei Jahren einen Sprung gemacht, cleverer zu verteidigen“, sagt Buchtmann, der selbst das beste Beispiel für diese Entwicklung ist („Ich habe mein Zweikampfverhalten ja auch geändert“). Die Zahlen geben ihm recht. In der vergangenen Saison und der Spielzeit davor hatte St. Pauli am Ende die wenigsten Fouls aller Zweitligisten auf dem Konto (je 471) – der Abstand zur Konkurrenz: deutlich. 2015/16 war St. Pauli „Fairness-Meister“.
Fitness sei eine wichtige Basis, sagt Sobiech. „Bei größerer Fitness spielt man weniger Foul.“Man müsse weniger grätschen, komme seltener zu spät in den Zweikampf. Wertvoll ist die geringe Zahl der Gelben Karten. In den vergangenen Spielzeiten war St. Pauli weniger von Gelb-Sperren der Stammspieler betroffen als die meisten Konkurrenten. „Ein Vorteil“, so Janßen. Herausragend und absolut bemerkenswert ist aber der Fakt, dass St. Pauli in der Liga seit dreieinhalb Jahren keinen Platzverweis mehr kassiert hat – der letzte war die GelbRote Karte für Tom Trybull am 9. März 2014 in Frankfurt. Die letzte glatte Rote Karte sah Sören Gonther am 29. November 2013 gegen Köln, am Millerntor. Eine Ewigkeit.
121 Spiele in Serie hat St. Pauli seit dem letzten Platzverweis bestritten – LigaRekord. Erstaunlich und ungewöhnlich sei das, so Janßen. Nie in Unterzahl spielen zu müssen, „hilft in jedem Fall“.
Die Fairnesstabelle hat einen Wert für St. Pauli. Sie dokumentiert, was das Spiel der Kiezkicker ausmacht – und ist damit auch ein Indikator für die „echte“Tabelle.