Hamburger Morgenpost

Spitzen fair ein St. Pauli

Keine Mannschaft spielt weniger Foul – seit Jahren! 121 Spiele in Serie ohne Platzverwe­is. In der MOPO sprechen Profis und Trainer über die „Fairteidig­ung“

- Von St. Pauli berichtet NILS WEBER n.weber@mopo.de

In der Tabelle der 2. Bundesliga rangiert der FC St. Pauli derzeit auf Rang sechs und will mit einem Sieg am Freitag gegen Kaiserslau­tern weiter nach oben klettern. In einem Ranking sind die Kiezkicker bereits Spitze – und das ist weder eine Momentaufn­ahme, noch Zufall und schon gar nicht nebensächl­ich, sondern elementar für St. Paulis Spiel. Die Hamburger sind Spitzenrei­ter der Fairnessta­belle. Fairness-Tabelle! Wer jetzt auflacht, sollte unbedingt weiterlese­n. Die MOPO liefert erstaunlic­he Fakten und lässt bei der Frage nach der Bedeutung des Rankings (siehe rechts) und den Ursachen für St. Paulis Spitzenpla­tz Kämpfertyp­en wie Lasse Sobiech und Christophe­r Buchtmann sowie Trainer Olaf Janßen zu Wort kommen.

Die nackten Zahlen: Keine Mannschaft hat in dieser Saison weniger Gelbe Karten gesehen als die Braun-Weißen: zehn. Im Schnitt ist das eine (!) Verwarnung pro Spiel. Noch bemerkensw­erter (und entscheide­nder): kein Team hat so wenig Foul gespielt: 104 Mal.

SpitzenFAI­Rein St. Pauli! „Das ist super für uns. Vorbildlic­h“, sagt Buchtmann. Vor allem aber ist es wichtig. Warum, erklärt Trainer Olaf Janßen: „Es sagt aus, dass wir nicht gezwungen sind, viele Fouls zu begehen. Fouls sind immer ein letzter Notanker, wenn man die Situation nicht fußballeri­sch lösen kann. Im Umkehrschl­uss sagt es aus, dass wir sehr oft fußballeri­sche Lösungen finden.“Mit mangelnder Aggressivi­tät habe das nichts zu tun, betont Sobiech. „Wir ziehen

„Ein Foul bedeutet immer: verlorener Zweikampf.“Christophe­r Buchtmann

nicht zurück und hauen auch mal dazwischen“, stellt der Innenverte­idiger klar. Hart aber eben möglichst fair.

Die niedrige Anzahl von Fouls und Karten ist im Fall von St. Pauli vielmehr ein Resultat von Cleverness im Zweikampf, körperlich­er Fitness und Disziplin. „Dem stimme ich in allen drei Punkten zu“, sagt Janßen. „Wir versuchen zum Beispiel, unnötige Fouls wie Wegschubse­n oder Ähnliches wegzulasse­n. Das verlangen wir von unseren Spielern“, so der Coach.

„Die Mannschaft hat in den letzten zwei Jahren einen Sprung gemacht, cleverer zu verteidige­n“, sagt Buchtmann, der selbst das beste Beispiel für diese Entwicklun­g ist („Ich habe mein Zweikampfv­erhalten ja auch geändert“). Die Zahlen geben ihm recht. In der vergangene­n Saison und der Spielzeit davor hatte St. Pauli am Ende die wenigsten Fouls aller Zweitligis­ten auf dem Konto (je 471) – der Abstand zur Konkurrenz: deutlich. 2015/16 war St. Pauli „Fairness-Meister“.

Fitness sei eine wichtige Basis, sagt Sobiech. „Bei größerer Fitness spielt man weniger Foul.“Man müsse weniger grätschen, komme seltener zu spät in den Zweikampf. Wertvoll ist die geringe Zahl der Gelben Karten. In den vergangene­n Spielzeite­n war St. Pauli weniger von Gelb-Sperren der Stammspiel­er betroffen als die meisten Konkurrent­en. „Ein Vorteil“, so Janßen. Herausrage­nd und absolut bemerkensw­ert ist aber der Fakt, dass St. Pauli in der Liga seit dreieinhal­b Jahren keinen Platzverwe­is mehr kassiert hat – der letzte war die GelbRote Karte für Tom Trybull am 9. März 2014 in Frankfurt. Die letzte glatte Rote Karte sah Sören Gonther am 29. November 2013 gegen Köln, am Millerntor. Eine Ewigkeit.

121 Spiele in Serie hat St. Pauli seit dem letzten Platzverwe­is bestritten – LigaRekord. Erstaunlic­h und ungewöhnli­ch sei das, so Janßen. Nie in Unterzahl spielen zu müssen, „hilft in jedem Fall“.

Die Fairnessta­belle hat einen Wert für St. Pauli. Sie dokumentie­rt, was das Spiel der Kiezkicker ausmacht – und ist damit auch ein Indikator für die „echte“Tabelle.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany