„Ich habe Angst ummeine Familie“
Sein neuer Film „Matilda“wird in Russland von religiösen Eiferern und Nationalisten angegriffen – Brandanschlag auf Regisseur
Brandanschläge, Drohungen und Beschimpfungen: Der Film „Matilda“ist in Russland noch nicht einmal angelaufen und ist schon fast eine Staatsaffäre. Lars Eidinger, der die Hauptrolle spielt, zieht daraus eine erste Konsequenz: Er reist nicht zur Premiere nach Moskau Ende Oktober – auch aus Sorge um seine Familie und seine Filmkollegen.
„Ich habe Angst, dass ich angegriffen werde“, gesteht der Fernseh- und Kinostar. „Es gibt schon Angriffe auf Regisseur Alexej Utschitel, jemand hat einen Molotowcocktail in sein Büro geworfen. Ich bin durch diese Vorfälle alarmiert und habe Angst, mich dem auszusetzen.“
Schon Wochen vor der Premiere laufen Monarchisten und Orthodoxe in Russland Sturm gegen den umstrittenen Film über Zar Nikolaus II. Der Monarch hatte eine historisch verbürgte Affäre mit einer Balletttänzerin namens Matilda Kschessinskaja. Da die russische Kirche ihn jedoch heiliggesprochen hat, kommt eine Thematisierung dieser Liebschaft einer Gotteslästerung gleich.
Monarchisten und orthodoxe Christen sahen die „heilige Figur“nach dem ersten Trailer nicht respektiert. Die Hardlinerin und Duma-Abgeordnete Natalja Poklonskaja wollte den Film gleich verbieten lassen, scheiterte mit ihrem Vorhaben aber: „Matilda“bleibt legal.
Mit diesem massiven Protest hatte Eidinger nicht gerechnet. „Ich war sehr überrascht“, gibt er zu. „Wir wollten in erster Linie einen Film machen, um Nikolaus II. und der Figur gerecht zu werden und nicht, um ihn vorzuführen oder ihn bloßzustellen. Wir wollten auch niemanden provozieren oder verletzen. Ganz im Gegenteil. Wir haben die Geschichte mit allem Respekt behandelt. Wir haben ihn als menschliches Wesen beschrieben, mit all seiner Fehlbarkeit. Das macht einen Menschen erst liebenswert und zu einem Menschen. Man kommt natürlich in einen Konflikt, wenn man mit Leuten darüber diskutieren will, für die er ein Heiliger ist.“
Anders als seine russischen Filmkollegen wurde Eidinger selbst noch nicht direkt bedroht. Es wird aber von rechten Kreisen in Russland aus mächtig Stimmung gegen den Berliner gemacht. „Mir wird in
„Ich bin zu einer Zielscheibe des Hasses geworden.“Lars Eidinger
Russland unterstellt, dass ich ein schwuler Pornodarsteller und ein Satanist bin“, erzählt der 41-Jährige. „In Deutschland lacht man darüber. Aber in Russland nimmt man das sehr ernst.“Es sei ihm aber wichtig klarzustellen, dass er weder etwas gegen Homosexuelle noch Vorbehalte gegen die Pornoindustrie habe.
Auch wenn es bislang bei verbalen Angriffen geblieben ist, sieht Eidinger die Sache sehr ernst. „Ich bin zur Zielscheibe des Hasses geworden. Und ich muss um meine Gesundheit bangen. Ich habe ja auch Familie. Ich will mich einfach nicht diesem Risiko aussetzen.“
Die extremen Reaktionen in Russland sind umso unverständlicher, wenn man sich ansieht, wie wenig der Film tatsächlich zeigt. „Es gibt keine provokanten Szenen“, sagt Eidinger. „Es gibt eine Liebesszene, man sieht aber nichts Explizites.“Mit dem Regisseur Alexej Utschitel würde er jederzeit wieder zusammenarbeiten: „Ich stehe zu 100 Prozent zu dem Film.“