Schmerzhafte Rock-Predigt
Can you feel my heart beat?“– „Könnt ihr fühlen, wie mein Herz schlägt?“, ruft Nick Cave den Zuschauern in der gut gefüllten Sporthalle zu. Und meint diese Textzeile aus dem „Higgs Boson Blues“wörtlich: Er greift die ausgestreckten Hände seiner Fans – vier, fünf, sechs – und presst sie sich an die Brust. Der Großmeister des düsteren bibelschweren Indierocks offenbart sich am Montag komplett, nicht nur in seinen Texten, auch körperlich.
„Boom! Boom! Boom!“, ruft Cave. Das Herz des 60-Jährigen schlägt immer noch kräftig genug, um ein mehr als zweieinhalbstündiges Konzert mit unglaublicher Intensität zu geben. Auch wenn dieser Mann in den vergangenen zwei Jahren durch die Hölle gegangen ist, seit sein 15-jähriger Sohn bei einem Unfall starb. Es scheint, als müsse er diesen Schmerz schonungslos ins Scheinwerferlicht zerren, um ihn zu überstehen. Bei „From Here To Enternity“steigert er sich zur immer dramatischer anschwellenden Musik in einen Rausch hinein, als wäre er ein Priester bei einem Exorzismus. „Jubilee Street“ufert in ein brachiales Finale aus. Sakrale Atmosphäre kommt bei ruhigen Stücken wie „I Need You“und „Distant Sky“auf. Immer wieder beugt er sich hinab, schüttelt Hände, blickt den Leuten direkt in die Augen.
Bei „The Weeping Song“tanzt er mit einem Fan auf einem Kamerapodest, läuft dann die Tribüne hoch, nimmt ein Bad in der Menge. Gut 20 Leute holt er schließlich auf die Bühne, lässt sich umarmen, schiebt mit ihnen pantomimisch den Himmel weg bei „Push The Sky Away“. Eine Trennung zwischen Künstler und Publikum gibt es nicht mehr. „Danke schön!“, ruft Cave auf Deutsch in den donnernden Applaus – und wirkt erlöst.
Extrem emotional: Nick Caves gefeiertes Konzert in der Sporthalle