„Rassismus-Vorwurf? Lächerlich!“
Regisseur Ulrich Waller über verbissene Korrektheit, Humor und Integration
Die Multikulti-Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“hat ein Millionenpublikum ins Kino gelockt. Jetzt kommt der Filmhit über das Mittelschichts-Ehepaar Claude und Marie Verneuil, das sich mit vier Schwiegersöhnen aus vier unterschiedlichen Kulturkreisen aussöhnen muss, auf die Bühne des St. PauliTheaters. In der MOPO spricht Regisseur Ulrich Waller über Rassismus und Humor.
MOPO: Was macht „Monsieur Claude und seine Töchter“für Sie zu einem Highlight? Ulrich Waller:
Der extrem erfolgreiche Film hat gezeigt, dass die französischen Autoren uns in der Beschreibung gegenwärtiger gesellschaftlicher Situationen weit voraus sind. Über Vorurteile und das Aufeinanderprallen von Menschen unterschiedlichen Glaubens in Form einer hinreißenden Komödie zu erzählen – das ist intelligente Unterhaltung.
Der Kino-Knüller musste wegen seines respektlosen Umgangs mit den Kulturen allerdings einiges an Kritik einstecken ...
Der Vorwurf der Rassismus-Komödie ist lächerlich. Rassistische Gedanken hat in dieser Geschichte jeder. Der Jude gegen den Araber, der Araber gegen den Juden, beide gegen den Chinesen und den Schwarzen will keiner in der Familie haben. Dass alle am Ende erkennen, wie ähnlich sich die Menschen im Grunde sind, hat für mich nichts mit vordergründiger MultikultiWohlfühlstimmung zu tun. Es ist eine Utopie, die zeigt, in welche Richtung sich eine Gesellschaft entwickeln könnte.
Sind wir politisch überkorrekt und humorlos geworden?
Ja. Wir sind durch alle Formen von Political Correctness inzwischen so verbissen, dass man sich kaum noch bewegen darf, ohne sofort das Wort „Rassist“an den Kopf geklebt zu bekommen. Die Integrationsund Flüchtlingsdebatte mit mehr Humor zu führen, können wir von den Franzosen lernen. Wie viel Spaß man allen Schwierigkeiten zum Trotz mit der Integration haben kann – davon handelt das Stück. Stark überzeichnete Figuren benutzen alle Klischees, die notwendig sind, um über die Situation nicht depressiv zu werden, sondern komödiantisch alle Vorurteile gegen die Wand zu fahren.
Glauben Sie, Theater kann die Gesellschaft verändern?
Ganz sicher kann Theater dazu beitragen, Vorurteile aufzubrechen oder die
Angst vor dem Fremden zu überwinden. Dinge oder Verhaltensweisen, über die man im Theater lachen kann, erscheinen uns veränderbar.
Welche Akzente setzen Sie in Ihrer Bühnenadaption?
Große Veränderungen sind
gar nicht nötig. Das Stück erzählt die Geschichte eines, bei uns würde man sagen, wohlsituierten PegidaAnhängers, der Pech mit seinen Schwiegersöhnen hat. Denn jede seiner vier Töchter ist verheiratet oder steht vor der Hochzeit mit einem Mann mit Migrationshintergrund. Dass jemand wie er durch die Erlebnisse in seiner Familie schließlich davon träumt, die Welt kennenzulernen, ist ein toller Theatermoment. In Dresden und anderswo können sich viel zu wenig Menschen vorstellen, die Grenzen im eigenen Kopf zu überwinden. Deshalb ist diese Geschichte für mich ein Märchen.
Welche Reaktionen auf den Theaterabend erwarten Sie?
Wer nicht ideologisch komplett borniert in die Aufführung geht, sondern sich darauf einlässt, kann eine fantastische Geschichte erleben. Dass es eine Debatte gibt, ob man über dieses Thema lachen darf, kann ich mir nicht vorstellen.