Hamburger Morgenpost

Hamburgs untergegan­gener Freizeit-Park

Mit Achterbahn und Wellenbad: Vor gut 100 Jahren eröffnete die gigantisch­e Anlage in Altona. Dann kam der Krieg ...

- Von OLAF WUNDER

Als er am 28. August 1913 eröffnet wird, ist er mit 87 000 Quadratmet­ern Fläche der größte Vergnügung­spark Deutschlan­ds. Geblieben ist davon: nichts. Wenn man mal absieht von einem Straßennam­en und einem Kinderspie­lplatz. Die Rede ist vom Luna-Park in Altona Nord, nicht weit entfernt von der Kieler Straße und dem Kaltenkirc­her Platz.

„Ich hne da ganz in der Gegend“, erzählt der Media-Designer Harald Beckedorf (65), „und immer wenn ich am Luna-Park vorbeikam, habe ich mich gefragt, was es wohl mit diesem Namen auf sich hat. Schließlic­h gab’s da nur einen ganz normalen Kinderspie­lplatz und keinen Park.“Irgendwann hat Beckedorf angefangen zu r herchieren (siehe auch Sei en 6/7). Das Er ebnis ist eine bemerkensw­erte ammlung alter Fotos und Postkarten, d e zeigen, d s dort damals so richtig die Post ab ing.

Eine Welt des Vergnügens mit Achterbahn und Wellenbad

Zeitreise in das Altona am Vorabend des Ersten Weltkriegs (1914-1918). Die Stadt ist noch weit davon entfernt, mit Hamburg vereint zu sein. Eine blühende Industries­tadt, wichtigste­r deutscher Standort für Fischverar­beitung. Daneben spielen Eisen- und Metallindu­strie, Nahrungsmi­ttelund Genussmitt­elprodukti­on, Glashütten und Tabakverar­beitung eine große Rolle. Die Einwohnerz­ahl wächst rasant. 1910 leben 172 000 Menschen in Hamburg. Zum Vergleich: 1850 waren es gerade mal 40 000.

Aber eine Bevölkerun­g, die viel und hart arbeitet, braucht auch Zerstreuun­g und Erholung. Die Nachfrage nach Spektakulä­rem und Sensatione­llem ist groß damals. Nicht nur in Altona, nicht nur in Hamburg. Weltweit. Auf Coney Island (New York) wird 1905 ein Vergnügung­spark gegründet, der sich Luna-Park nennt. Andere US-Städte kopieren die Idee, zuerst Pittsburgh und Cleveland. Dann s hwappt die Idee in andere Länder über. „Luna-Park“wird bald zum Synonym für „Vergnügung­spark“.

Wo das Empfangsge­bäude war, ist heute ein Arbeitsamt

Dann eröffnet ein LunaPark in Altona: Als am 8. August 1913 Einweihung gefeiert wi d, stehen lange Schlangen vor dem repräsenta­tiven Empfangsge­bäude mit dem geschwunge­nen Dach. Wer hindurchge­ht, dem eröffnet sich eine ganz neuartige Welt des Vergnügens. Es gibt zum Beispiel eine Achterbahn, bei der die Fahrgäste den Eindruck haben, als würden sie durch ein Gebirge rasen. Außerdem ein Wellenschw­immbad, eine Ausstellun­gshalle mit 40 000 Quadratmet­ern Fläche, eine Radrennbah­n und einen Tanzpalast, um nur das Wichtigste zu nennen. Selbstvers­tändlich muss kein Besucher hungern: Es sind Pavillons errichtet, in denen sich die Gäste mit Wurst, Torte und Schokolade oder Käse und Milch versorgen können.

Eigentlich sind die Voraussetz­ungen gut für einen erfolgreic­hen Betrieb. So ist beispielsw­eise die Verkehrsan­bindung vorzüglich: Der Holsten-Bahnhof liegt kaum drei Minuten entfernt, der Bahnhof Emilienstr­aße kaum zehn Minuten und der Kaltenkirc­hener Bahnhof liegt unmittelba­r neben dem Park. Trotzdem: Schon nach einem Jahr ist Schluss. Im August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Für Spaß ist jetzt niemand mehr zu haben – der Luna-Park muss schließen.

Seine Wiedergebu­rt erlebt er 1923. Altona vermietet das Gelände an Hamburgs „Schaustell­erkönig“Hugo Haase für jährlich drei Millionen Mark Miete. Doch dann kommt die Inf ation. Die Menschen sind froh, wenn sie es schaffen, sich zu ernähren. Für den Eintritt in ein Fahrgeschä­ft hat kaum einer mehr Geld. Haase droht der Bankrott, deshalb zieht er die Notbremse und schließt den Park.

Der größte Teil der Luna-Park-Fläche wird in Sportplätz­e umfunktion­iert. An der Memellanda­llee entsteht ein langgezoge­ner Wohnblock. Und dort, wo einst das Empfangsge­bäude des Luna-Parks stand, befindet sich heute ein 1926 von Gustav Oelsner errichtete­r kubischer Stahlbeton­bau – der Sitz der Arbeitsage­ntur an der Kieler Straße.

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Durch dieses monumental­e, 50 Meter breite Eingangspo­rtal kamen die Besucher in den Luna-Park.
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as Wellenbad „Undosa“war eine ransportab­le, von einem Diplominen­ieur namens Hermann Recknagel onstruiert­e Schwimmhal­le. Eine der größten Attraktion­en war diese riesige Rutsche, genannt „To b o g g a n “. „Scenic Railway“: Die Achterbahn war mit einer...
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Auch musikalisc­h verewigt: Titelbild für den Marsch „Geh’n wir in den Luna-Park“.

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