Aufregung in Berlin um arabische Großfamilien. Behörde weist Vorwürfe zurück
Von ALEXANDER SCHMALZ UND GERHARD LEHRKE
Berlin – Unterwandern Angehörige arabischer Großfamilien die Polizei? Schicken sie kriminelle Clan-Mitglieder in die Polizeiausbildung? In Berlin soll das bereits geschehen sein. Diesen Vorwurf erhebt ein langjähriger LKA-Beamter. Nach MOPO-Informationen ermittelt die Behörde intern gegen zwei Polizeischüler, die möglicherweise zum Dunstkreis krimineller Clans gehören sollen. Die Polizei wies die Vorwürfe zurück.
Auslöser der Diskussion waren zwei anonyme Hinweise. Ein Gastdozent hatte sich in einer Sprachnachricht über das Verhalten von Polizeischülern mit Migrationshintergrund empört. Kurz darauf gelangte der offene Brief des hochrangigen LKA-Beamten, der im Bereich der organisierten Kriminalität ermittelt, in Umlauf. In dem Schreiben, das der MOPO vorliegt, heißt es, „dass diese Unterwanderung der arabischen Großfamilien bereits begonnen hat“. Der Autor des Schreibens behauptet, die Polizeivizepräsidentin und angehende Generalstaatsanwältin Margarete Koppers unterstütze dies sogar.
Aus Polizeikreisen heißt es, dass viele ältere Ausbilder der Berliner Polizeiakademie die Strukturreform bei der Polizei missbilligen. Es heißt, bewährte Methoden und Lerninhalte würden abgeschafft.
SPD-Abgeordnete vermuten hinter den anonymen Hinweisen eine Kampagne gegen die Führung der Berliner Polizei und die der Polizeiakademie. Der SPDAbgeordnete Tom Schreiber sagt, er werde seit Wochen mit Hinweisen auf Missstände in der Polizeiakademie bombardiert. „Wenn ich aber Beweise anfordere, dann tauchen die anonymen Hinweisgeber ab oder sind nicht mehr zu erreichen“, so Schreiber.
Mitverantwortlich für die Missstände an der Polizeiakademie ist laut Fachleuten das lasche Einstellungsverfahren. Nicht nur in Berlin sucht die Polizei händeringend Nachwuchs, auch die Ansprüche bei den Einstellungskriterien wurden gesenkt. Da die offenen Stellen nur schwer zu besetzen sind, nehme die Polizei auch Personal, das nicht immer gut geeignet ist, so die Kritik.
Und jetzt sogar kriminelle Clan-Mitglieder? Berlins Polizeisprecher Thomas Neuendorf sagt zum Vorwurf, die Berliner Polizei werde durch arabische Clans unterwandert: „Diese Behauptung ist nicht tragfähig.“Es könne keine „Pauschalablehnung“von Bewerbern geben, nur weil sie den Namen einer bekannten Großfamilie tragen. Sie würden wie jeder Bewerber einer charakterlichen Prüfung unterworfen, Führungszeugnis und Informationen aus allen der Bundesländer eingeholt.
Die Polizei sprach jetzt „vor Ort“mit Schülern einer Klasse und einem Lehrer. Ergebnis: Niemand wollte die anonym geäußerten Anwürfe gegen die Akademie bestätigen. Die gut zwei Dutzend 17 bis 27 Jahre alten Schüler, seit zwei Monaten in der Ausbildung für den Mittleren Dienst, und Klassenlehrer Rainer Tannat sagten: „Wir kennen die Vorwürfe nur aus der Presse“. Keiner hatte von den Disziplinlosigkeiten in einer Parallelklasse gehört, die ein Ausbilder in einer Audio-Mitteilung angesprochen hatte.
Im Gegenteil: Noah Kreolin (20) findet, dass die Disziplin besser sei als in der Oberschule: „Da hat man den Starken markiert, hier sehen wir uns als Kollegen, nicht als Konkurrenten.“
Der junge Mann mit dunkler Hautfarbe hat auch noch keine rassistischen Bemerkungen zu hören bekommen: „Wie überall in Berlin sind wir in unserem Alter an multikulturelles Zusammenleben gewöhnt.“
Sophie Schlick (18), eine der vier Frauen in der Klasse, hat keine sexistischen Sprüche, kein „Runtermachen“erlebt. Alle machten gut mit, weil sie nicht wie in der Schule lernen müssten, sondern weil man den Beruf erlernen wolle. Unterfordert fühle sie sich nicht.