Schmutzige Deals im Steuer-Paradies
Hinterziehung? „Paradise Papers“belasten Prominente und auch deutsche Unternehmer
London/Berlin – Riesenwirbel um die „Paradise Papers“: Die jetzt über ein Leak entdeckten Dokumente aus den Steuerparadiesen dieser Welt führen nicht nur zum US-Handelsminister Wilbur Ross, sondern auch zu rund 1000 Deutschen, darunter Milliardäre, Unternehmer, Erben – und Politiker. Die prominentesten Fälle: Altbundeskanzler Gerhard
Schröder. Sein Name taucht in den Unterlagen der Anwaltskanzlei Appleby (Cayman Islands) laut „Süddeutscher Zeitung“auf, weil Schröder ab 2009 „unabhängiger Aufsichtsrat“beim russisch-britischen Energieunternehmen TNK-BP gewesen sei (bis 2011) – ein Joint Venture von Briten und Russen mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Offenbar wandte sich TNKBP in einer Rechtsangelegenheit an Appleby– möglicherweise ein völlig legaler Vorgang.
Um Hunderte Millionen geht es dagegen im Fall des mysteriösen Deutsch-Amerikaners Curt Engelhorn. Der mehrfache Milliardär (Wohnsitz: Bermudas und Gstaad, Schweiz) schaffte es, den Chemiekonzern Boehringer zu verkaufen, ohne Steuern zu bezahlen. 2013 gab es eine Durchsuchung bei Engelhorn. Die Ermittler forderten von ihm 440 Millionen Euro Schenkungssteuer für die Übertragung der Anteile auf seine Töchter. Am Ende gab es aber nur eine Steuernachzahlung von 145 Millionen. Das könnte sich jetzt ändern. Die „Paradise Papers“zeigen angeblich, dass Engelhard (2016 verstorben) und seine Töchter
weitere 40 Trusts und Briefkastenfirmen hatten, von denen die Behörden bisher nichts wussten. Auch der Name des Glücksspielautomaten-Königs
Paul Gauselmann taucht in den Papieren der Kanzlei Appleby auf. Gauselmann biete auf der britischen Insel Isle of Man, einer Steueroase zwischen Irland und Großbritannien, die Software für Online-Automatenspiele (Fruit Slider oder Double Triple Chance) an. Damit bewege Gauselmann sich in einer „rechtlichen Grauzone“, so die „SZ“. Denn: Online-Kasinospiele sind in Deutschland verboten.
Einer der prominentesten Namen in den ApplebyDossiers ist der weltberühmte
U2-Sänger Bono, einer der reichsten Musiker der Welt: Bono soll 2007 in eine Firma auf Malta und auf Guernsey investiert haben (ein Drittel an der Firma „Nude Estates Malta Limited“), die wiederum über ein weit verzweigtes Firmengeflecht in ein Einkaufszentrum in Litauen investierte. Jetzt ermittelt die litauische Steuerbehörde VMI, weil Gewinne falsch verbucht und Steuern nicht gezahlt wurden. Bono bestreitet den Vorgang im Prinzip nicht, sieht aber kein Fehlverhalten.
„Ein Weckruf für die EU und die neue Bundesregierung.“Tobias Hauschild (Oxfam)
In einer Grauzone operiert US-Handelsminister Wilbur
Ross. Er profitiere als Privatmann von Geschäften mit einer Firma, die dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin und kremlnahen Geschäftsleuten gehört. Es soll um eine Beteiligung an einer Reederei gehen, zu deren Kunden der russische Energiekonzern Sibur gehöre. Die Reederei Navigator habe seit 2014 mit Sibur Geschäfte im Wert von mehr als 68 Millionen Dollar abgewickelt. Allerdings bleibe unklar, wie stark Ross hier engagiert sei. Wegen der Brisanz der Fälle fordert die Bundesregierung die „SZ“auf, die riesige Datenmenge über Tausende Firmen, Personen und die Register aus 19 Steueroasen den Behörden zu übergeben. Die Entwicklungsorganisation Oxfam nannte die Papiere einen „Weckruf für die neue Bundesregierung“. Durch die Steuerhinterziehung entgingen den Staaten pro Jahr mindestens 100 Milliarden Dollar.