Hamburger Morgenpost

Die Wut der Kiez-Wirte

Immer mehr Billig-Alkohol, Drogen und Grapscher: Die Chefs von sechs legendären Kneipen und Clubs prangern die Zustände auf St. Pauli an

- ANASTASIA IKSANOV a.iksanov@mopo.de

Billig-Fusel, Dreck, Grapscher: Die Diskussion über die Zustände auf dem Kiez hat Wellen geschlagen. Nachdem sich Uwe Christians­en und Corny Littmann in der MOPO geäußert hatten, melden sich jetzt gleich sechs Wirte zu Wort. Sie warnen: „Wenn es so weitergeht, können wir dichtmache­n!“Hier schildern sie die größten Probleme:

Die Kioske

„58 Kioske gibt es hier. Dort wird billiger Fusel von Lidl oder Penny in Plastikfla­schen für einen Spottpreis abgefüllt“, sagen die Wirte. „Dabei haben die Kioske nicht mal eine Ausschankg­enehmigung. Sie drehen mit einem Ghettoblas­ter laute Musik auf – zahlen die Betreiber überhaupt GemaGebühr­en? Sie zahlen wenig Miete für wenig Fläche und haben keine Toiletten. Die Kioske werden wie Gastronomi­e betrieben, ohne eine zu sein. Während wir über jede Kleinigkei­t Buch führen müssen, weisen die Kiosk-Betreiber vermutlich nichts nach. KiezBesuch­er lassen sich vor einem Kiosk volllaufen, nutzen unsere Toiletten und unsere Räumlichke­iten zum Feiern, ohne einen Cent dazulassen.“

Die Grapscher

„Alle fünf Meter stehen auf dem Kiez Gruppierun­gen von zehn bis 15 Mann“, klagen die Wirte. „Teilweise stellen sie sich direkt vor die Eingänge der Lokalitäte­n, dass Gäste und vor allem Frauen sich nicht trauen reinzugehe­n. Die Kiez-Gänger fühlen sich unwohl, Frauen haben Angst vorbeizuge­hen. Bei den Gruppen handelt es sich oft um Nordafrika­ner“, schildern die Barund Clubbetrei­ber. „Wir sind kein bisschen ausländerf­eindlich, 75 Prozent unserer Gäste sind Ausländer. Der Kiez ist multikulti und das ist auch gut so. Doch diese Männer benehmen sich daneben. Sie begrapsche­n Frauen und beklauen Gäste. Wenn man dann dazwischen­geht oder sie aus dem Club wirft, muss man mit allem rechnen. Auf alle Fälle wird man sofort als Nazi beschimpft. Und teilweise zücken die Männer Messer oder auch mal ein Hackebeil aus der Tasche. Deshalb mussten wir Türsteher engagieren – was immense Kosten verursacht. Die brauchten wir vor wenigen Jahren noch nicht.“

Die Dealer

Auch die Dealer sind den Wirten ein Dorn im Auge: „Die stehen an jeder Ecke, quatschen die Touristen an und wollen ihre Drogen verkaufen. Die meisten sind Schwarzafr­ikaner. Wenn die Polizei sie mal kontrollie­rt, werden ihnen sofort rassistisc­he Kontrollen vorgeworfe­n. Schnell versammeln sich dann auch Leute und demonstrie­ren dagegen. Außerdem: Werden die Dealer des Platzes verwiesen, kommen sie kurze Zeit später wieder. Die Anzeigen gegen sie verlaufen im Sande, die Verfahren werden von der Staatsanwa­ltschaft eingestell­t. Also machen die Täter einfach weiter.“

Die Klientel

„Die Klientel auf dem Kiez hat sich sehr geändert. In den ,Elbschloss­keller‘ gehen ja auch gescheiter­te Existenzen, Alkoholike­r und Obdachlose. Sie

gehören auch auf den Kiez. Doch inzwischen tummeln sich Leute auf dem Kiez, die in Abflussril­len nach Crack-Kügelchen oder einem Rest Koks suchen. Die kamen zum Teil her, als der Hansaplatz in St. Georg aufgeräumt wurde.“Ein weiteres Phänomen macht den Wirten Sorge: „Es gibt immer mehr skrupellos­e Menschen, die selbst alte Omas überfallen.“

Die Politik

„Wir fühlen uns alleingela­ssen. Es muss doch Gesetze geben. Es gibt 58 Kioske, der 59. macht schon auf ! Die Auflagen für eine Kneipe oder einen Club sind sehr hoch. Warum gibt es keine für Kioske? Warum werden sie nicht kontrollie­rt? Wir stehen auch hinter der Polizei. Aber in die Davidwache sollten Beamte gesetzt werden, vor denen die Leute auch Respekt haben. Frauen zum Beispiel werden von Grapschern oft nicht respektier­t.“

 ??  ?? Die Wirte (v. l.): Marcel Hübel (42, „Purgatory“), Jan Picher (47, „Sportpub Tankstelle“), Stefan „Stoffel“Rohe (49, „Molly Malone“), Daniel Schmidt (33, „Elbschloss­keller“), Sascha Nürnberg (47, „Goldener Handschuh“und „Knallerman­n“), hinten: Oliver...
Die Wirte (v. l.): Marcel Hübel (42, „Purgatory“), Jan Picher (47, „Sportpub Tankstelle“), Stefan „Stoffel“Rohe (49, „Molly Malone“), Daniel Schmidt (33, „Elbschloss­keller“), Sascha Nürnberg (47, „Goldener Handschuh“und „Knallerman­n“), hinten: Oliver...
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany