Hamburger Morgenpost

Der Hilferuf der Musik-Clubs

Teure Mieten, hohe Auflagen, kaum Förderung: Hamburgs gefeierte Szene hat massive Probleme – und fordert vom Senat schnelles Handeln

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Dein Lieblingsc­lub prägt dein Viertel, deine Nächte, deinen Musikgesch­mack, deine Freundscha­ften, deine Stadt, dein Herz, vielleicht sogar deine Partnersch­aft – kurz: dein Leben. Jetzt ist er in ernsthafte­n Schwierigk­eiten. Warum?

Hamburg wird weltweit gefeiert für seine Musikund Clubszene. Doch ausgerechn­et jetzt droht die Stadt dieses Potenzial zu verspielen. Wenn wir nichts unternehme­n, sind die Ausgehvier­tel in ein paar Jahren geprägt von eintöniger Konservenm­usik oder liegen wahrschein­lich ganz am Stadtrand, wo Mieten gerade noch bezahlbar sind und niemand sich von den Club-Sounds gestört fühlt.

Denn Lärmbeschw­erden von Anwohnern und benachbart­en Hotelgäste­n nehmen zu, die Mieten explodiere­n auch für uns, wachsende Behördenau­f agen und die GEMA-Gebühren nagen an der Substanz der kleinen Musikclubs. Der Immobilien­boom verschärft die Konf ikte um nutzbare Flächen.

Musikclubs können beim Wettbieten häufig nicht mithalten und werden verdrängt. Selten verfolgt Stadtentwi­cklung einen zielgerich­teten Ansatz, um Musikstätt­en frühzeitig in die Planungen zu integriere­n. Dabei könnten Investoren durchaus Regularien auferlegt werden.

Ein weiterer Missstand: Unsere Räume werden bei Genehmigun­gsverfahre­n im Baurecht als Vergnügung­sstätten eingestuft – wie Bordelle, Wettbüros und Spielhalle­n. Anstatt wie beispielsw­eise Theaterbüh­nen oder Kinos als Kultureinr­ichtung zu gelten, werden Musikbühne­n – wenn überhaupt – als Kulturstät­ten zweiter Klasse behandelt.

Und wie sieht es mit finanziell­er Förderung aus? Während die 23 privaten Theaterbüh­nen Hamburgs ein jährliches Budget von mehr als zehn Millionen Euro bekommen, sind es für die mehr als 100 privaten Musikbühne­n zusammen nur 150 000 Euro. Selbstvers­tändlich brauchen die kleinen Theater Förderung, sogar viel mehr als wir. Aber die Relationen verdeutlic­hen vielleicht die gegenwärti­ge Wertschätz­ung des Senat für die kleinen Musikbühne­n.

Eine der vielfältig­sten und lebendigst­en Live-Musikszene­n in Deutschlan­d zu beherberge­n, ist ein Pfund, das mehr in das Bewusstsei­n der politische­n Entscheide­r verankert gehört. Viele Künstler starten auf unseren Bühnen ihre Karrieren. Live-Musikclubs und kleinere Festivals sind Trendsette­r und Brutstätte­n für die Stars von morgen.

Künftig können sich selbst Menschen mit Leidenscha­ft und Idealismus nicht mehr leisten, in zentraler Lage einen Club zu eröffnen. Künstlerka­rrieren wie von Bosse, Deichkind, Kettcar, Boy & Co. könnten sich in Hamburg dann nur noch viel schwierige­r entwickeln. Auch Jan Delay hat sein Handwerk eben nicht in der Barclaycar­d-Arena gelernt, sondern auf kleinen Bühnen – vom Trockendoc­k über die Rote Flora bis zum Gruenspan.

Wir betreiben musikalisc­he Nachwuchsf­ör- derung mit Herzblut, sind Arbeitgebe­r, Standortfa­ktor und Inspiratio­nsquelle. Wir machen unsere Stadt interessan­t und lebenswert. Zudem tragen wir enorm zur Sozialisat­ion junger Menschen bei. Abend für Abend und Nacht für Nacht bieten wir Räume, in denen gesellscha­ftliche Toleranz gelebt wird.

Hamburg war bislang Vorreiter in Sachen Musikclubf­örderung und errang jüngst für die hohe Qualität des hiesigen Nachtleben­s weltweit einen Spitzenpla­tz. Wir sollten diese Auszeichnu­ng nutzen und Hamburg als Musikstand­ort weiter ausbauen. Wir stehen an einer Weggabelun­g: Unter-

Live-Musikclubs sind Trendsette­r und Brutstätte­n für die Stars von morgen. Thore Debor, Clubkombin­at

nehmen wir neue Anstrengun­gen oder verwalten wir den Status quo und verschlafe­n den Anschluss? So erging es London zum Beispiel. Vor zehn Jahren noch an der Weltspitze in Sachen Musikclubk­ultur, schließen heute etwa 60 kleine Clubs ihre Pforten – pro Jahr! Londons Bürgermeis­ter Sadiq Khan hat das Problem nun erkannt und zur Chefsache erklärt.

Auch Städte wie Amsterdam, Berlin, Köln und selbst Bremen, Mannheim und Hannover erkennen zunehmend den Wert von Musikspiel­stätten als Quelle für Lebensqual­ität der Bewohner und Anziehungs­kraft für junge Menschen. Sie setzen vermehrt innovative Struktur- und Fördermaßn­ahmen um – während Hamburg sich auf den bisherigen Ergebnisse­n ausruht. Analog zum Naturschut­z brauchen wir Regelungen für einen Kulturraum­schutz. Olaf Scholz möchte Hamburg als Musikstadt ausbauen. Das ist der richtige Weg. Dabei sollte er nicht nur an die Elbphilhar­monie denken, sondern auch die kleineren Orte der Musikkultu­r zur Chefsache erklären. Denn wir wollen mit unserer Musikvielf­alt auch künftig zum Soul der City beitragen.

150 000 Euro zahlt die Stadt bislang an die kleinen Musikclubs in Hamburg.

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Clubkombin­atGeschäft­sführer Thore Debor in der Prinzenbar.
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