Hamburger Morgenpost

Kennen Sie den?

Nein? Sollten Sie aber. Denn Andreas Dressel (43) wird Hamburgs nächster Bürgermeis­ter – wenn Olaf Scholz wie geplant als Vizekanzle­r nach Berlin geht

- MIKE SCHLINK mike.schlink@mopo.de

Sie haben es ja doch noch geschafft. Ein halbes Jahr nach der Wahl steht endlich der Koalitions­vertrag für eine neue Bundesregi­erung! Union und SPD haben sich auf ein gemeinsame­s Papier geeinigt. Mit Folgen für Hamburg: Olaf Scholz (SPD) macht wohl den Abf ug nach Berlin.

Mit Ringen unter den Augen und müdem Blick verließ Hamburgs Bürgermeis­ter gestern um 10.42 Uhr die CDU-Zentrale in Berlin. Er wirkte erschöpft, ja – aber auch glücklich. Auf die Frage, wie es ihm nach den mehr als 24-stündigen, finalen Verhandlun­gen (siehe Seite 6/7) gehe, antwortete er mit einem verschmitz­ten Lächeln: „Ganz gut, ich schlafe mal jetzt.“

Den Schlaf hat er sich verdient. Immerhin hat er für die SPD ein gutes Verhandlun­gsergebnis erzielt – für sich sogar das bestmöglic­he. Denn: Scholz soll neuer Bundesfina­nzminister und Vizekanzle­r werden – und Hamburg den Rücken kehren. Das Ende einer Ära.

Sieben Jahre war Scholz Hamburgs Bürgermeis­ter. Sieben Jahre, in denen er keine Gelegenhei­t ausließ, sich als tatkräftig­er Macher zu präsentier­en. Jetzt aber liegen die Dinge nicht mehr in seiner Hand: Rund 450000 Sozialdemo­kraten entscheide­n in Kürze über den ausgehande­lten Koalitions­vertrag – und damit auch über seine Zukunft.

Doch wenn die Parteibasi­s mit „Ja“stimmt, ist Scholz’ Rückkehr aufs Bundespark­ett perfekt. Seit Monaten kokettiert der 59-Jährige mit einem Amt in Berlin. Gleichzeit­ig betonte er mantraarti­g, dass er auch 2020 wieder als Bürgermeis­ter in Hamburg antreten werde. Jetzt hat der Widerspruc­h wohl ein Ende.

Als mit reichlich Macht ausgestatt­eter Minister und Vizekanzle­r soll im Merkel-Kabinett künftig quasi nichts mehr ohne Olaf Scholz gehen. „Er ist einer unserer klügsten und einer unserer arrogantes­ten Köpfe“, sagt ein führender Genosse über Scholz, spricht damit vielen Sozialdemo­kraten aus der Seele. In den eigenen Reihen ist der hanseatisc­hkühle Analytiker kaum beliebt, erhielt bei der Wahl zum Parteivize nur 59,2 Prozent. Vergessen. Jetzt wird er mächtigste­r SPD-Minister – und kehrt zurück nach Berlin.

Als Generalsek­retär (2002-2004) unter Gerhard Schröder (SPD) fing sich Scholz den Spitznamen „Scholzomat“ein, weil er sich öffentlich zwar geschliffe­n, aber oft wenig inhaltsrei­ch äußerte. 2007 wurde er Arbeitsmin­ister in der Großen Koalition. Jetzt also das Comeback – sofern die SPD-Basis mitspielt. Stimmt sie dagegen, hat Scholz ein Problem. Die komplette SPD-Führung wäre nicht mehr tragbar. Scholz würde Bürgermeis­ter bleiben, doch Hamburg wäre seine „zweite Wahl“– und die Quittung könnte bei der Bürgerscha­ftswahl folgen.

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Der Bürgermeis­ter wird Vizekanzle­r – falls die SPD-Basis sich zur GroKo mit der CDU bekennt.
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