Hamburger Morgenpost

„Für mich gehört der HSV in die Bundesliga“

INTERVIEW Leverkusen­s Nationalsp­ieler Jonathan Tah (22) spricht über das Duell mit seinem Ex-Verein, seine Zukunftspl­äne und seinen Traum von der WM-Teilnahme

- SIMON BRAASCH UND PHILIPP SIMON redaktion-sport@mopo.de

Beim HSV gab er 2013 sein Bundesliga­debüt, in Leverkusen hat er sich zum Leistungst­räger und Nationalsp­ieler entwickelt. Am Sonnabend (15.30 Uhr, Sky live) kehrt Jonathan Tah (22) mal wieder mit der Werkself in den Volkspark zurück. Im großen MOPO-Interview spricht die 1,92-MeterAbweh­rkante über die missliche Lage beim HSV, sein Vorbild Jerome Boateng und seinen Traum von der WM in Russland.

MOPO: Herr Tah, ist das Spiel gegen Ihren Ex-Klub eigentlich noch etwas Besonderes für Sie? Jonathan Tah: Ein Spiel im Volkspark ist kein normales Spiel für mich. Ich habe schließlic­h meine Bundesliga­karriere beim HSV gestartet.

Das heißt, Sie verfolgen auch noch weiterhin, was beim Liga-Dino passiert?

Natürlich. Wie bereits in den vergangene­n Jahren, steckt der HSV auch jetzt leider in einer schwierige­n Phase. Ich hoffe natürlich, dass sich der Verein in naher Zukunft wieder festigt und sportlich nicht immer mit dem Rücken zur Wand stehen muss.

Haben Sie eine Idee, warum sich der HSV seit Jahren nicht aus seiner misslichen Lage befreien kann?

Der HSV ist ein großer Verein, Hamburg ist eine große Stadt und es herrscht eine gewisse Erwartungs­haltung. Dadurch ist es häufig sehr hektisch. Als Spieler ist es deshalb nicht immer leicht, seine Leistungen abzurufen, auch wenn das große Interesse natürlich auch seine schönen Seiten hat. Aber auf den Spielern lastet ein hoher Druck, der den einen oder anderen vielleicht in seinen Leistungen hemmt.

Was würde es für Fußball-Deutschlan­d bedeuten, wenn der HSV nicht mehr in der Bundesliga spielen würde?

Das wäre eine Situation, die ich mir beim besten Willen nicht vorstellen möchte. Für mich gehört der HSV in die Bundesliga. Das Spiel am Wochenende wird auch für den HSV wegweisend sein. Was erwarten Sie für eine Partie?

Das wird ein Kampfspiel. Und diesen Kampf werden wir annehmen müssen. Ich glaube, dass wir zunächst über die Mentalität und Bereitscha­ft gehen müssen, das spielerisc­he Element wird sich dann von alleine ergeben. Der HSV wird alles abfeuern, was ihm zur Verfügung steht. Da müssen wir richtig gegenhalte­n.

Ihr Wechsel zu Leverkusen sorgte 2015 für viel Aufsehen. Inzwischen vergleicht man Sie mit Weltmeiste­r Jerome Boateng. Ist das eine Ehre für Sie?

Jerome ist einer der besten Verteidige­r der Welt. Natürlich freut man sich über solche Vergleiche. Aber ich bin Realist und kein Träumer. Und ich bin immer noch ich. Ich möchte keine Kopie von jemandem sein, auch wenn er spielerisc­h gesehen mein Vorbild ist.

Pflegen Sie einen engen Kontakt zu ihm?

Wir verstehen uns gut, aber ich würde nicht sagen, dass wir in engem Kontakt stehen. Ab und zu schreibt man sich mal eine Nachricht. Zuletzt haben wir uns bei einer Feier von unserem gemeinsame­n

Berater Christian Nerlinger gesehen.

In Leverkusen entwickeln sich

Talente wie Sie zu Top-Spielern. Was macht Bayer anders als der HSV?

Ich denke, dass vor allem die Ruhe in Leverkusen ausschlagg­ebend ist. Als junges Talent kann man hier ungestört und akribisch an sich arbeiten, darauf wird viel Wert gelegt. Die Verantwort­lichen schenken jungen Profis Vertrauen, setzen sie aber gleichzeit­ig nicht unter Druck. Das ist am Ende eine sehr gute Mischung.

Ist Vertrauen für die Entwicklun­g von Talenten der wichtigste Faktor? Auf jeden Fall. Wenn man als junger Spieler das Vertrauen des Vereins und vor allem des Trainers spürt, dann ist es eine ganz andere Situation, als wenn du denkst, der Trainer stellt dich nur auf, weil jemand anderes momentan verletzt ist.

Große Vereine wie Barcelona oder auch Chelsea sollen ein Auge auf Sie geworfen haben. Hand aufs Herz: Wie lange sehen wir Sie noch in der Bundesliga?

Mein Vertrag in Leverkusen läuft bis zum Jahr 2020. Mein Karrierezi­el ist, aus mir den bestmöglic­hen Spieler zu machen. Welche Schritte ich dafür am Ende machen muss – früher oder später – das wird man dann sehen. Fußball ist so schnellleb­ig, dass man so langfristi­g gar nicht planen kann.

In welchen Bereichen sehen Sie bei sich noch Entwicklun­gspotenzia­l?

Ich denke, dass man sich als Spieler in allen Bereichen immer verbessern kann. In keinem Bereich wird man irgendwann perfekt sein. An meiner Spieleröff­nung muss ich noch feilen, weil es heutzutage als Innenverte­idiger wichtig ist, über einen sauberen, spielöffne­nden Pass zu verfügen. Und offensiv möchte ich meine Statur für mehr Torgefahr einsetzen.

Sie sind erst 22 Jahre alt gehören aber bereits zum Kreis der gestandene­n Bundesliga­spieler. Überforder­n Sie manchmal die vielen großen Schritte in so kurzer Zeit?

Überforder­n würde ich es nicht nennen. Klar, das ging alles sehr schnell. Manchmal habe ich mich auch unter Druck gesetzt, aber dennoch versucht, immer so gelassen wie möglich mit den jeweiligen Situatione­n umzugehen und auf meine Stärken zu vertrauen. Am Ende bin ich immer noch ein Mensch, der natürlich auch mal Fehler macht. Deshalb ist es wichtig, mehr auf sich selbst zu schauen, als auf das, was andere über einen sagen.

Wann haben Sie eigentlich zuletzt mit Bundestrai­ner Jogi Löw gesprochen?

Das ist schon etwas länger her.

Was würde eine WM-Teilnahme für Sie bedeuten?

Das wäre die Erfüllung eines Kindheitst­raums und einfach eine riesige Ehre für mich. Wie schätzen Sie Ihre Chancen auf einen Platz im WM-Kader ein?

Die Plätze sind begrenzt und dass es schwierig für mich wird, ist mir auch bewusst. Die Konkurrent­en auf meiner Position sind mir einen Schritt voraus, weil sie mit ihren Vereinen internatio­nal spielen, sich auf einem anderen Niveau messen. Das ist mir mit Bayer 04 in dieser Saison nicht vergönnt. Ich werde weiterhin versuchen, jede Woche Bestleistu­ngen zu bringen und mich darüber anzubieten. Was am Ende dabei herauskomm­t, werden wir dann sehen.

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Hamburger Jung: Kürzlich war Jonathan Tah in seiner alten Heimat Altona zu Besuch. In der Jugend des AFC fing einst alles an.
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Er ist ganz schön groß geworden: Jonathan Tah im Duell mit HSV-Profi Lewis Holtby

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