Hamburger Morgenpost

Reißen Scholz und Nahles das GroKo-Ruder rum?

Chef-Genossen starten Werbetour für Regierungs­bildung und stellen sich der wütenden Basis

- OLAF WUNDER o.wunder@mopo.de

Wutentbran­nt verlassen zwei Genossen die Messehalle­n. Sie sind enttäuscht, dass den GroKo-Kritikern bei der SPD-Regionalko­nferenz viel zu wenig Raum gegeben wird. „Da gehen wir lieber zum HSV“, sagen sie. Der sei zwar genauso ein Sorgenkind wie die SPD. „Aber immerhin hat der 17 Punkte“, also einen mehr als die Partei Prozente in den Umfragen. Sie lachen. Galgenhumo­r.

Am vergangene­n Sonnabend hat sie in Hamburg begonnen: die GroKo-Werbetour der SPD-Führung durch die Republik. 650 Genossen kamen. Aber wer gedacht hat, dass sich Andrea Nahles und Olaf Scholz einen Schlagabta­usch mit prominente­n GroKo-Gegnern liefern werden, ist mit Recht enttäuscht. Die innerparte­iliche Opposition ist überhaupt nicht präsent. Juso-Chef Kevin Kühnert tourt gerade selbst durch die Republik, um für ein Nein zu werben.

Kontrovers ist die Debatte daher nicht, lebhaft aber sehr wohl, denn die Parteiführ­ung verlässt ihren Elfenbeint­urm – endlich – und stellt sich der Basis. Jeder, der will, kann Olaf Scholz und Andrea Nahles ins Gesicht sagen, wie sehr er findet, dass die Führung der Partei versagt hat und wie sehr es gerade schmerzt, SPD-Mitglied zu sein.

Ist das der Weg, wie die SPD das Ruder herumreiße­n will? Durch ganz neue Kommunikat­ionsformen? Durch mehr Beteiligun­g der Basis? Wohltuend ist, dass es keine stundenlan­gen Monologe gibt. Nach einer kurzen Einleitung verteilen sich die 650 Mitglieder an großen Stehtische­n, diskutiere­n zuerst miteinande­r, wie es jetzt möglich wäre, die Partei wieder aus dem Dreck zu ziehen, und was sich ändern muss.

Stichpunkt­e werden mit Edding auf große Pappen geschriebe­n. Und anschließe­nd kommen Olaf Scholz und Andrea Nahles zu den Tischen und reden mit den Genossen. Auf Augenhöhe.

Hätte es solche Formen der Beteiligun­g schon früher gegeben – vielleicht sähe es um die SPD jetzt besser aus. Lars Klingbeil, der Generalsek­retär, verspricht jedenfalls, dass Regionaltr­effen dieser Art künftig regelmäßig stattfinde­n, auch wenn nicht gerade Krise ist. Außerdem kündigt er weitere moderne digitale Formen der Basis-Beteiligun­g an: Eine SPD-App soll es geben und Online-Konferenze­n. Das könnte gerade jungen Menschen gefallen.

Drei Stunden dauert die Veranstalt­ung in Hamburg – danach sagt Nahles, das Bedürfnis zu reden sei enorm. Generalsek­retär Klingbeil betont: „Ich bin überzeugt, am Ende gibt es eine Mehrheit dafür, dass wir in eine Regierung gehen.“

Übrigens: Flensburgs Oberbürger­meisterin Simone Lange nutzt am Sonnabend die Konferenz in Hamburg, um Olaf Scholz ihre Bewerbung um den Parteivors­itz zu überreiche­n. Sie tritt am 22. April beim Sonderpart­eitag in Wiesbaden als Gegenkandi­datin von Nahles auf. Im Gedränge nimmt Scholz das Schreiben lustlos entgegen. Zum Gespräch mit Nahles kommt es nicht.

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Schulter an Schulter mit der Basis: Olaf Scholz im Gespräch mit Genossen
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Andrea Nahles stellt sich der Diskussion mit den Mitglieder­n.
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