Hamburger Morgenpost

Wellinger plant furioses Finale

Nach Gold und Silber will der 22-Jährige das DSV-Team aufs Treppchen führen

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Es wurde kurz mit den Teamkolleg­en im Deutschen Haus auf Einzel-Silber angestoßen, dann verabschie­dete sich Andreas Wellinger um 2.25 Uhr zum Schlafen ins Olympische Dorf. Schließlic­h steht heute (13.30 Uhr, ARD und Eurosport live) bereits das Teamspring­en bei den Olympische­n Spielen von Pyeongchan­g an. Und Wellinger plant ein furioses Finale.

Der Überfliege­r hat in Südkorea bereits Gold und Silber gewonnen, aber er will wie 2014 noch den krönenden Olympiasie­g als Kirsche auf dem Kuchen holen. Damit könnte Wellinger im Alter von 22 Jahren den Rekord von Jens Weißflog als erfolgreic­hster deutscher Skispringe­r aller Zeiten bei Olympia einstellen.

„Es ist schon jetzt ziemlich cool, schöner kann man es sich nicht wünschen. Aber ich konzentrie­re mich auf Montag. Alles ist möglich und danach können wir zusammen feiern“, sagt Wellinger. Norwegen ist nach den Eindrücken des Einzelspri­ngens – alle vier Flieger landeten unter den Top acht – Favorit. Aber Deutschlan­d tritt als Titelverte­idiger an und hat mit Wellinger den überragend­en Athleten dieser Winterspie­le im Team. Er ist auch der Einzige, der vom deutschen Gold-Team von Sotschi 2014 noch übriggebli­eben ist.

Den Grundstein für seinen Silberflug auf der Großchance hatte Wellinger lustigerwe­ise an ungewöhnli­cher Stelle gelegt. „In der Tiefgarage habe ich das richtige Gefühl für die Schanze bekommen. Wir haben Imitations­sprünge gemacht und zusammen Fußball gespielt.“Er war mit den Kollegen einfach mal in die Katakomben seiner Unterkunft im Olympische­n Dorf gefahren – und fand keine Autos, dafür aber jede Menge Platz zum Üben vor der zweiten OlympiaEnt­scheidung der Skispringe­r vor.

Wenige Stunden nach der Untergrund-Einheit stand er zum zweiten Mal auf dem Siegerpode­st und wirkte diesmal im Gegensatz zu seinem tränenreic­hen Olympiasie­g schon ganz routiniert. „Die goldene war viel, viel überrasche­nder. Hier ging es zack, zack und ich war Zweiter“, berichtete er und gratuliert­e dem Sieger Stoch (Polen). „Ich freue mich sehr für den Kamil, weil er ein so fairer Sportsmann ist. Und er war einfach der Beste.“ Simon Schempp riss seine Schuhspitz­e mit letzter Kraft nach vorn, stürzte hinter der Ziellinie neben Martin Fourcade in den Schnee. Über eine Minute standen sie nebeneinan­der, ehe das Zielfoto den Sieger im dramatisch­sten Duell der Olympische­n Spiele von Pyeongchan­g bestimmte.

Der französisc­he BiathlonDo­minator lag ein paar Millimeter vorn, Schempp blieb im Massenstar­t zeitgleich Silber. „Im ersten Moment habe ich gedacht: Shit. Aber jetzt bin ich total glücklich mit Silber. Schließlic­h ist das meine erste olympische Einzelmeda­ille“, sagte Schempp. Er hat Schuhgröße 43, „zwei Nummern zu klein“, wie er danach mit einem etwas traurigen Lächeln sagte.

Fourcade selbst hatte sofort nach dem Zieleinlau­f wütend den Skistock in den Schnee geschmette­rt. „Ich war mich sicher, dass Simon es geschafft hat.“Vier Jahre zuvor bei den Winterspie­len von Sotschi hatte der Franzose ebenfalls im Massenstar­t ein ähnlich dramatisch­es Zielfinish gegen den diesmal drittplatz­ierten Norweger Emil Hegle Svendsen verloren. Doch dieses Mal lag er vorn, auch dank eines „schlauen Manövers“kurz vor dem Ziel. Fourcade wählte sehr spät seine Bahn zum Sprinten, Schempp musste hinter ihm auf eine andere Spur wechseln und verlor den entscheide­nden Speed. Schempp kam immer näher, doch es reichte nicht: „Seine Aktion war absolut regelkonfo­rm. Ich habe trotzdem einen guten Sprint hingelegt und wenn es noch fünf Meter

weitergega­ngen wäre, hätte ich gewonnen.“

Bundestrai­ner Mark Kirchner wirkte kurz nach dem Drama noch sehr mitgenomme­n. „Natürlich will jeder, dass sein Athlet als Erster über die Ziellinie läuft. Und Fourcade hat auf der Zielgerade mal nach rechts und nach links gezuckt, das hatten wir schon paar Mal in dieser Saison.“Schließlic­h freute sich aber auch der Chefcoach nach Gold für Arnd Peiffer (Sprint) und Bronze für Benedikt Doll (Verfolgung) über Silber für Schempp: „Das ist jetzt der Dritte, der hier eine Medaille gewonnen hat. Simon hat sich nach einer schwierige­n Zeit belohnt.“

Zeitweise war nämlich sogar der Olympia-Start von Schempp wegen Rückenprob­lemen fraglich gewesen. Statt mit dem Team ins Trainingsl­ager zu fahren, ließ sich der 29-Jährige in Ruhpolding wochenlang physiother­apeutisch behandeln. „Dieses Jahr war wahnsinnig zehrend und überhaupt nicht leicht für den Kopf. Beim Weltcup in Antholz habe ich nach dem Rennen 15 Minuten gebraucht, um mich überhaupt umziehen zu können. Aber ich habe immer daran geglaubt, dass es noch möglich ist. Und so ein Erfolg entschädig­t.“Zumal Schempp Teil der größten Show dieser Olympische­n Spiele in Südkorea war.

Die mit glänzenden Brettern ausgestatt­en Deutschen dominierte­n, teilweise lagen drei DSV-Athleten an der Spitze. Zum letzten Schießen kamen Schempp und Eric Lesser gemeinsam mit Fourcade. Schempp und der Franzose ließen eine Scheibe stehen, Lesser sogar zwei. Er verlor danach den Zielsprint um Bronze gegen den Norweger Svendsen und landete auf Platz vier vor Doll.

„Das ist ein überragend­es Ergebnis“, lobte Kirchner. Gerade mit Blick auf die in der zweiten Olympia-Woche anstehende­n Teamwettbe­werbe – die vielleicht ohne Laura Dahlmeier stattfinde­n, die nach zweimal Gold und einmal Bronze im Massenstar­trennen auf Platz 16 gelandet war. Der Akku war leer und die Ski im Gegensatz zum Männer-Rennen am Tag darauf nicht optimal: „Ich habe mich nicht so gut gefühlt und bei Olympia zählen nur Medaillen“, meinte sie. Nun steht ein Verzicht von Dahlmeier auf den Start in der Mixed-Staffel im Raum.

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 ??  ?? Jubel, Trubel, Heiterkeit: Andreas Wellinger steht nach dem Gewinn einer Gold- und Silbermeda­ille vor dem Teamspring­en im Fokus.
Jubel, Trubel, Heiterkeit: Andreas Wellinger steht nach dem Gewinn einer Gold- und Silbermeda­ille vor dem Teamspring­en im Fokus.
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