Hamburger Morgenpost

Auf den Straßen von Hamburg

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Ich habe den Flug genossen. Vor ein paar Jahren hätte ich wohl um die Zeit in Mülleimern nach Pfandflasc­hen gesucht oder von Tabletts übriggebli­ebene Reste weggeschna­ppt, um das Loch im Bauch zu stopfen. Ein Wagen holte uns ab und fuhr uns zum Sender. Ich war schon ein wenig aufgeregt, denn es war das erste Mal, dass ich einem so großen Publikum aus meinem Leben erzählen konnte. Die Diskussion um Waffen in den USA, Krieg in Syrien, traurige Themen, dann war ich dran.

Ich habe während des Tages immer wieder an meine Großeltern gedacht. Mit ihnen saß ich auf dem Sofa, wir haben damals ARD und ZDF geguckt. In meiner Kindheit war das Fernsehen noch anders, da gab es nur ein paar Sender.

Ich rieche noch das Leder ihres Sessels und sehe sie da sitzen. Meine Uroma, die noch bei uns gelebt hat, kam zur „Tagesschau“mit Abendkleid und Perlenkett­e vor den Fernseher. Wenn der Moderator „Guten Abend“wünschte, wünschte sie dasselbe zurück. Um ehrlich zu sein: Ich fand’s immer nur langweilig. Als Kind haben mir nur die Mainzelmän­nchen und die Sendung „1,2 oder 3“richtig gut gefallen.

Meine Großeltern hätten mich heute wahrschein­lich im Fernsehen gesehen und wären sehr stolz gewesen. Ich habe das auch im Fernsehen gesagt: Meine Oma hat immer an mich geglaubt. Dank ihr und meinem Opa bin ich der Mensch geworden, der jetzt das Richtige tun kann. Egal, wo ihr sein mögt, ihr seid in meinem Herzen und ich werde euch nie vergessen.

Wir haben im Interview über Gewalt und Hunger geredet, über die Kälte, die aktuell ein großes Problem für Obdachlose ist. Die letzte Frage der Moderatori­n war, warum ich „Unter Palmen aus Stahl“geschriebe­n habe. Meine Antwort: Ich möchte anderen Menschen, denen es nicht so gut geht, Mut machen. Sie können es schaffen, so wie ich es geschafft habe. Nach der Sendung schreiben mir viele Menschen auf Facebook. Ich freue mich.

Wir fliegen zurück nach Hause. Es ist verrückt, dass ich vom Hamburger Flughafen länger nach Hause brauche, als es dauert, von Frankfurt nach Hamburg zu fliegen. Daran muss ich mich noch gewöhnen.

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