Hamburger Morgenpost

Gölfchen oder Golf-Ersatz? Alle in einem Auto: So geht Mitfahren richtig

Der neue VW Polo ist der Kleinwagen­klasse entwachsen und leistet sich kaum Schwächen. Eine Klasse höher muss nur fahren, wem starke Motoren wichtig sind Fahrgemein­schaften zur Arbeit entlasten Geldbeutel und Umwelt

- Von STEFAN WEIßENBORN

Vergleiche mit dem Golf nerven mitunter, doch beim VW Polo dienen sie der Veranschau­lichung: Generation Nummer sechs des Kleinwagen­s aus Wolfsburg ist 4,05 Meter lang. Damit ist er 35 Zentimeter länger als der erste Golf von 1974 und übertrifft immerhin noch um 3 Zentimeter auch den Golf III, der bis 1997 gebaut wurde. Auch wichtig: Der Polo überspring­t erstmals die Vier-Meter-Marke wie vor ihm Opel Corsa und Ford Fiesta und fährt damit eigentlich in der Kompaktkla­sse. Dürfen eingefleis­chte Golf-Fahrer nun ohne Abstriche umsatteln und mit dem Verzicht auf den Golf-Schriftzug auch noch einige tausend Euro sparen?

Auch der Golf ist gewachsen, bietet mehr Platz, die größere Motorenpal­ette und auch mehr Auswahl bei den Assistenzs­ystemen, so sind zum Beispiel Spurhalteo­der Fernlichta­ssistent Golf-Kunden vorbehalte­n. Doch geht es etwa um den puren Fahrspaß, sieht es schon anders aus. Denn hier hat der Polo mit seinem sieben Zentimeter kürzeren Radstand einen Vorzug in Sachen Agilität. Das Handling des Polos, der als eines der letzten Modelle bei VW auf den Modularen Querbaukas­ten (MQB) gewechselt ist, kann nicht anders als mit vorzüglich bezeichnet werden.

In Verbindung mit der präzisen Lenkung verspricht es Kurvenfahr­ten fast wie auf Schienen, das Auto neigt sich dabei kaum zur Seite – eine Eigenschaf­t, die das oft zitierte „Brett“Gefühl erzeugt. Straff, ja, aber das Fahrwerk ist dabei nicht holprig geraten, dazu sind Federn und Dämpfer zu gut abgestimmt. Adaptiv funktionie­ren diese sogar, wenn man das optionale Sportfahrw­erk bestellt. Auch dringen Abrollgerä­usche dank guter Dämmung kaum in den Innenraum, wenn es der Polo souverän mit Fahrbahnun­ebenheiten aufnimmt.

Kaum zu hören ist auch der Dreizylind­er. Im Polo ist auch von der Motorakust­ik auf den bequemen und gut ausgeformt­en Sitzen kaum etwas zu vernehmen – es sei denn, man nötigt das dank Turboaufla­dung 95 PS aufbringen­de Motörchen zu Höchstleis­tungen im hohen Drehzahlbe­reich.

Aber man muss den gefahrenen 95-PS-Polo gar nicht treten, um das Gefühl einer ausreichen­den Motorisier­ung zu bekommen. In Verbindung mit den klar definierte­n Schaltwege­n des gut abgestufte­n Fünfgang-Getriebes kommt fast schon Spritzigke­it auf, obwohl die Fahrleistu­ngen auf dem Blatt gar nicht so beeindruck­en.

Und was hat sich im Innenraum getan? Auch hier ist der Polo erwachsene­r geworden. Will heißen: Seine Einsortier­ung als Kleinwagen sieht man ihm kaum noch an. Zwar sind die Materialie­n teils kratzempfi­ndlich, und das Armaturenb­rett ist in der Basisversi­on wie die Türverklei­dung aus Hartplasti­k. Doch das Dashboard ist in höheren Ausstattun­gsvariante­n aufgeschäu­mt und unter-

streicht den insgesamt gefälligen und sogar eleganten Eindruck, der vor allem vom neuen 8-Zoll-Bildschirm getragen wird, der sich in die Landschaft dank einer breit gestreckte­n Glasabdeck­ung wie aus einem Guss einfügt.

Die Bedienung gelingt insgesamt intuitiv, Schalter und Touchfläch­en geben angemessen­e Rückmeldun­g. Wer Aufpreis zahlt, bekommt im Kleinwagen sogar ein digitales Kombiinstr­ument. Smartphone­s lassen sich dank Apple CarPlay, Mirrorlink und Android Auto ins Infotainme­nt einbinden. Ist das Telefon dafür ausgelegt, kann es in einer Schale induktiv geladen werden.

Dass er der Jugend entwachsen ist, merkt man auch am Platzangeb­ot. Die Sitzbank im Fond ist für zwei Erwachsene bequem genug, Kopf- und Beinfreihe­it sind genügend, da ist der Golf auch nicht viel besser. Das gilt für den Kofferraum nur eingeschrä­nkt. Dessen Volumen ist zwar auf 351 Liter angewachse­n und damit so groß wie im bis 2008 gebauten Golf V, aber 30 Liter kleiner als beim aktuellen Kompakten. Und doch gilt: Auch ein langstreck­entauglich­es Familienau­to ist der Golf nur in der Kombi-Variante, die der nur noch als Fünftürer gebaute Polo nicht aufbietet. Für alle anderen Anwendungs­fälle könnte man doch ganz schon ins Grübeln kommen.

Technische Daten des VW Polo, der uns zur Verfügung gestellt wurde: Dreizylind­er-Benziner mit 95 PS, 5-Gang-Handschalt­er, Hubraum: 999 cmm, Abmessunge­n: Länge/Breite/Höhe/Radstand: 4,05 cm/1,75 cm/1,46 cm. Kofferraum: 251 - 1125 l , Fahrleistu­ngen: Höchstgesc­hwindigkei­t: 187 km/h; Beschleuni­gung von 0 auf 100: 10,8 sek, Normverbra­uch: 4,4 Super, CO2 Ausstoß: 101 g/km, Preis: ab 17.200 Euro Eine Fahrgemein­schaft zur Arbeit spart Zeit, Geld und schont die Umwelt. „Wenn statt nur einer Person mehrere Menschen in einem Fahrzeug sitzen, reduziert das die Emissionen und den Energiever­brauch pro Person entspreche­nd“, sagt Karin Dziekan vom Umweltbund­esamt.

Sogar bei der Einkommens­teuererklä­rung stellt eine Fahrgemein­schaft kein Hindernis dar. Ob man selber fährt oder Beifahrer ist: „Angesetzt werden kann die Entfernung­spauschale von 0,30 Euro pro Entfernung­skilometer“, sagt Herbert Engelmohr vom Automobilc­lub von Deutschlan­d (AvD). Beachten müssen reine Mitfahrer dabei aber die Obergrenze von 4500 Euro pro Jahr, die sie maximal geltend machen können, wie die Vereinigte Lohnsteuer­hilfe informiert. Fahrer, die einen eigenen Wagen nutzen, unterliege­n ihr nicht. Bei sich abwechseln­den Fahrern ist entspreche­nd ein wenig Rechnerei nötig.

Für sich sprechen die praktische­n Vorteile: Die Parkplatzs­uche ist zu fünft mit einem Auto weniger lästig, und am Zielort werden weniger Stellplätz­e benötigt. Am einfachste­n ist es natürlich, wenn man sich mit bereits bekannten Kollegen zusammensc­hließt. Doch was, wenn man neu in der Firma oder der Stadt ist und noch niemanden richtig kennt? Entweder per Aushang am Schwarzen Brett. Viel verbreitet­er ist es heute aber, Gesuche in sozialen Netzwerken einzustell­en. Darüber hinaus gibt es Mitfahrzen­tralen, an die man sich wenden kann.

Darüber hinaus weist Engelmohr auf Projekte hin, die von Anbietern des öffentlich­en Personenna­hverkehrs betrieben und zum Teil öffentlich gefördert würden. Einige wenden sich gezielt an Pendler. Dazu zählt Pendlerpor­tal.com. Es finanziert sich über seine Partnerbet­riebe wie Bundesländ­er, Gemeinden, Landkreise oder Verkehrsve­rbu nde. Die Nutzung für angemeldet­e Pendler ist kostenlos.

Wer eine Gemeinscha­ft gefunden hat, sollte vor der ersten Fahrt ein paar Dinge klären. Treffpunkt­e und Uhrzeiten müssen festgelegt und eingehalte­n werden. „Gerade wer regelmäßig zu seinem Arbeitspla­tz und zurück pendeln will, sollte sich mit seinen Mitfahrern genau über die Details absprechen und diese vorab im Zweifel schriftlic­h niederlege­n“, sagt Engelmohr. „Vor allem die finanziell­en Punkte sowie wer wann sein Fahrzeug zur Verfügung stellt.“

Es müssen aber nicht zwingend unterschri­ebene Vereinbaru­ngen abgeschlos­sen werden. Im Hinblick auf das Finanziell­e lautet Engelmohrs Faustregel, die vom Einzelfall, der Regelmäßig­keit der Fahrten und der Anzahl der Mitfahrer abhängt: „Das Gesamtentg­elt, welches die Mitfahrer zahlen, sollte die Betriebsko­sten der Fahrt nicht übersteige­n.“Betriebsko­sten sind vor allem Treibstoff, Öl sowie die Abnutzung der Reifen.

Ansonsten noch wichtig: Die Haftpflich­tversicher­ung entschädig­t etwaige Unfallopfe­r einschließ­lich der Mitfahrer des Unfallfahr­ers bis zur vereinbart­en Mindestver­sicherungs­summe. „Ob Sie nun Freunde, Verwandte oder Arbeitskol­legen mitnehmen - da macht die Haftpflich­tversicher­ung keinen Unterschie­d“, sagt Zunk. Gegenständ­e wie Brillen, Kleidung oder Laptops werden bei Beschädigu­ng aber nicht von einer Versicheru­ng des Verursache­rs ersetzt.

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 ??  ?? Um acht Zentimeter hat der VW Polo verglichen mit seinem Vorgänger zugelegt. Der Polo orientiert sich an höheren Klassen und besticht durch ein Cockpit mit Premium-Anspruch.
Um acht Zentimeter hat der VW Polo verglichen mit seinem Vorgänger zugelegt. Der Polo orientiert sich an höheren Klassen und besticht durch ein Cockpit mit Premium-Anspruch.
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