Mit Galgenhumor gegen die Angst vor dem Tod
Ulrich Tukur über das Älterwerden und seinen düsteren Blick auf die Zukunft
Mit seiner Tanzkapelle, den Rhythmus Boys, verbindet Fernseh- und Bühnenstar Ulrich Tukur charmante Gassenhauer der 20er mit witzsprühendem Entertainment. Privat liebt der Schauspieler und Bühnenstar aber die Einsamkeit seines Bauernhofs in der Toskana. Die MOPO sprach mit dem 60Jährigen über seine Vorliebe für die Nacht, Zukunftsängste und den Tod.
MOPO: Ihr neues Programm heißt „Grüß’ mir den Mond“– sind Sie ein Nachtmensch?
Ulrich Tukur: Ja. Die meisten Menschen sind der Ansicht, es ließe sich besser und konzentrierter am Tage arbeiten – mich überfällt die Inspiration bei Nacht. Die Nacht ist geheimnisvoll und abseitig. Es mag da ja zwielichtig oder dunkel sein, aber es leuchtet eben auch der Mond – und der Mond war schon immer eine Projektionsfläche für unsere Fantasien und Sehnsüchte. Der Nachtmensch ist derjenige, der den Rätseln im Inneren seiner Seele nachspürt.
Das klingt, als sei Ihnen der Mond lieber als die Sonne.
Aber ja! Auch Regentage gefallen mir besser als solche, die in heiteres Sonnenlicht getaucht sind. Bei Regen verschwinden die Menschen und man kann sich in seiner Einsamkeit angenehm einrichten.
Nun steht der Mond für Bilder voller Frieden und Harmonie – ganz im Gegensatz zur Realität in diesen vom Terror geprägten Zeiten.
Hatten wir denn jemals Frieden auf dieser Welt? Natürlich kenne ich all diese Schreckensbilder, doch werden sie in den Medien auch über die Maßen aufgeblasen und manipuliert. Man sollte sich davon nicht allzu sehr ins Bockshorn jagen lassen. Beschissen, schwierig, widersprüchlich, korrupt, schrecklich und tödlich, erbärmlich, lächerlich und jämmerlich ist es schon immer auf dieser Erde zugegangen. Selbst in Zeiten kultureller Höhenflüge war sie ein Schlachthaus.
Es plagt Sie keine Zukunftsfurcht? Doch. Ich fürchte mich vor dem fortschreitenden Verlust unserer Autonomie und den heraufdämmernden künstlichen Intelligenzen. Wir sehen eine immer stärker werdende Verbindung des Menschen mit dem Unmenschlichen, mit der Technik. Alle denkbaren Möglichkeiten werden irgendwann realisiert werden: So ist der Mensch. Er macht niemals Halt, auch wenn es die Würde und die Vernunft einfordern. Deshalb sind Kunst, Theater, Musik, Literatur und auch unser MondAbend so wichtig: als Gegengewicht zur Zerstörung der Geheimnisse. Wir müssen das Reich der Fantasie mit Zähnen und Klauen verteidigen. Was ich nicht habe, ist die Gelassenheit, sich nicht mehr über Dinge aufzuregen, die nicht zu ändern sind.
Woher kommt das?
Ich kann nun mal nicht meinen Frieden damit machen, dass die Dinge vergehen. Wenn du das Vergehen zulässt, wenn du dein Sterben akzeptierst: Dann hast du es geschafft und bist weise.
Wie sieht es mit der Angst vor dem Altern aus? Immerhin sind Sie ja letztes Jahr 60 geworden.
Ich finde es nach wie vor furchtbar, dass man sterben muss. Andererseits sind die Zipperlein, die sich jetzt peu à peu einstellen, gar nicht so uninteressant. Man entwickelt eine Art Galgenhumor, und das macht die Dinge erträglicher. Auch das Sterben im eigenen Umfeld.
Inwiefern?
Mein Vater ist letzten Herbst gestorben, viele in meinem Alter oder auch jünger sind gegangen. Und so liege ich dann jeden Abend, wenn der Mond draußen scheint, im Bett und sage ihnen „Gute Nacht“.
Ihren „Tatort“-Kommissar Felix Murot wollen Sie nicht mehr ewig spielen – nun sind Sie nach wie vor dabei.
Jedes Mal kommt dann doch wieder ein Drehbuch daher, das interessant ist, oder mir kommt eine überraschende Idee – und solange die Rolle etwas Neues bietet… Ich möchte noch zwei, drei gute, spannende Filme drehen, die für Zündstoff sorgen.
DAS INTERVIEW FÜHRTE CHRISTOPH FORSTHOFF
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