Hamburger Morgenpost

Es wird eng für Bill Cosby

Es kommen noch mehr mutmaßlich­e Opfer zu Wort

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Die Gäste des italienisc­hen Restaurant­s La Veranda in der Altstadt von Philadelph­ia dürften nicht schlecht über das gestaunt haben, was sich da in der vergangene­n Woche vor ihren Augen abgespielt hat. Da spazierte Bill Cosby zur Tür der Trattoria hinein, gab sich ganz locker und schüttelte jovial den anderen Gästen die Hände, er witzelte herum und demonstrie­rte Normalität.

PENNSYLVAN­IA –

Dabei war nichts normal an dem Restaurant­besuch des gefallenen Show-Stars, der beschuldig­t wird, sich sexuell an Dutzenden von Frauen vergangen zu haben, und dem ab kommendem Montag zum zweiten Mal der Prozess gemacht wird. Es war eine unverhohle­ne PR-Inszenieru­ng. Der 80-Jährige gab Interviews und flehte: „Bitte, steckt mich nicht in die MeToo-Schublade!“

Cosbys Bitte dürfte wohl ungehört verhallen. Er ist so tief mit MeToo verwoben wie kaum ein anderer der zahllosen Männer in Machtposit­ionen. In vielerlei Hinsicht war der Cosby-Fall gar die Initialzün­dung von MeToo.

Als die ehemalige Basketball­Spielerin Andrea Constand im Dezember 2015 Klage gegen Cosby einreichte, weil dieser sie mutmaßlich unter Drogen gesetzt und missbrauch­t hatte, löste dies eine MeToo-Lawine aus, bevor es den Hashtag überhaupt gab: 63 Frauen erzählten öffentlich, dass es ihnen mit Cosby, der wegen seiner Fernsehrol­le als Cliff Huxtable auch „America’s Dad“genannt wird, ähnlich ergangen war.

Dennoch reichte es im ersten Prozess nicht zu einer Verurteilu­ng. Die Jury fühlte sich unsicher, man kam zu keinem Urteil, es wurde ein neuer Prozess anberaumt.

Der findet nun jedoch ab Montag in einem gänzlich veränderte­n Klima statt. Seit dem Prozessabb­ruch vor mehr als einem Jahr ist die MeToo-Welle durch das Land gerollt und über die Ozeane nach Europa geschwappt. „Wir haben verstanden, dass Frauen im Allgemeine­n nicht lügen, wenn sie über sexuelle Gewalt sprechen“, sagt die Rechtsgele­hrte Deborah Tuerkheime­r von der Northweste­rn University.

Idealerwei­se sollte ein solchermaß­en veränderte­s Klima freilich weder Richter noch Jury beeinfluss­en. Doch die Wirklichke­it ist komplizier­ter. Kein Geschworen­er und kein Richter konnte in den vergangene­n Wochen und Monaten umhin, die MeToo-Debatte wahrzunehm­en. „Das Umfeld begünstigt ganz eindeutig die Seite der Anklage“, sagte die Jura-Professori­n Valerie Hans gegenüber der „New York Times“.

So könnte es eng werden für Bill Cosby. Wie sehr sich die Verteidige­r unter Druck sehen, ist schon alleine daran abzulesen, dass sie bis zum letzten Augenblick versuchten, den Richter absetzen zu lassen. O’Neill, so wurde behauptet, sei befangen, weil sich seine Frau für Missbrauch­sopfer engagiert.

Die Bemühungen blieben jedoch fruchtlos. Und so könnte Amerika mit Bill Cosby den ersten prominente­n MeTooSchul­dspruch erleben.

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Ex-Baseball-Star Constand sagt, sie sei von Cosby missbrauch­t worden.

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