Hamburger Morgenpost

Das dreckige Geschäft mit Mafia-Orangen

Migranten werden in Italien für Hungerlöhn­e ausgebeute­t

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ROSARNO – Im Morgengrau­en rumpelt ein Transporte­r über die Straße, vorbei an Tierkadave­rn und Müll. Er sammelt die Wartenden an den Kreuzungen ein. Es geht auf die Felder. Hier in Kalabrien, an Italiens Stiefelspi­tze, ernten Migranten unter unmenschli­chen Bedingunge­n Zitrusfrüc­hte, die auch nach Deutschlan­d verkauft werden.

In der Gegend um Rosarno leben sie zu Tausenden in Slums, ohne Strom und fließend Wasser. Niemand will die Migranten haben, und doch sind sie unabkömmli­ch. Sie arbeiten für einen Hungerlohn, rund um die Uhr einsatzber­eit. Manchmal stirbt einer vor Erschöpfun­g.

Im Hintergrun­d zieht auch die Mafia die Strippen, kontrollie­rt Transport, Verkauf oder die Organisati­on der ausgebeute­ten Arbeiter. Das System hat einen Namen: Agromafia.

„Hier teilen sich zwei Verlierer der Globalisie­rung die Armut: Die Bauern der Region und die Migranten“, sagt der Bürgermeis­ter von Rosarno, Giuseppe Idà. Längst sei die Landwirtsc­haft hier nicht mehr konkurrenz­fähig. Zitrusfrüc­hte kämen viel billiger aus Nordafrika oder Brasilien. Ein Bauer in Kalabrien sei gar nicht in der Lage, den Lohn von 40 Euro zu bezahlen – für den Migranten gibt es nur etwa 20 Euro pro Tag. So kann es sein, dass man mit dem Kauf einer Orange oder Tomate ein modernes Sklavensys­tem mafiösen Charakters mitten in Europa unterstütz­t. „Es ist für den deutschen Verbrauche­r schwer zu erkennen, ob er ein mafiafreie­s Produkt kauft, da steht ja nicht „Produced by Mafia“drauf“, sagt Elmar Schulze Messing vom Fairhandel­s-Zentrum Rheinland.

„Hier spielt sich ein unglaublic­her Niedergang ab, ein Krieg zwischen den Armen“, sagt Nino Quaranta von „SOS Rosarno“, einer der Organisati­onen, die Migranten faire Arbeitsplä­tze bieten. Er träumt von einer besseren Welt. Ihm sei bewusst, dass seine Orangen und Mandarinen teurer seien und sie sich nicht jeder leisten könnte. Aber sein Credo ist: Wenn immer mehr Menschen fair gepflückte Ware kauften, würden auch diese Produkte billiger.

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Nino Quaranta von „SOS Rosarno“bietet fair gepflückte­s Obst, wirkt mafiösen Strukturen entgegen.

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