Frau Müller und die Falken der Scheichs
Den Arabern sind ihre Jagdfalken heilig, sie werden umsorgt wie ein Kind. Fehlt ihnen etwas, kommen sie zu der deutschen Tierärztin in ihre Klinik in Abu Dhabi
ABU DHABI - Wer in der Golfregion ins Flugzeug steigt, kann neben sich schon mal einen Raubvogel sitzen sehen. Denn den Arabern sind ihre Falken so heilig, dass sie sogar eigene Plätze in der Kabine besetzen. Und die Gesundheit der Vögel lassen sie sich viel Geld kosten. Da grenzt es schon an ein Wunder, dass sie das Schicksal ihrer kranken Lieblinge ausgerechnet in die Hände einer Frau legen: Mit Margit Müller leitet eine Deutsche das größte FalkenHospital der Welt.
Die ungewöhnliche Tierklinik steht in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und Margit Müller ist immer ansprechbar. So kann es auch vorkommen, dass sie mitten in der Nacht vom Königshaus angerufen wird.
Die Greifvögel seien so wichtig, dass die Männer mit ihnen in die staatliche Klinik kämen, während ihre Frauen die Kinder allein zum Arzt begleiteten, erzählt die gebürtige Bayerin. Die Falken hätten dabei weit mehr Privilegien als der Hund in Deutschland: Nicht nur im Flugzeug sitzen sie neben ihren Besitzern, auch im Schlafzimmer. „Wir haben ganz viele Falkner, die auch Küsschen für ihren Falken geben und die Falken geben Küsschen für den Falkner, also das ist durchaus auch drin“, erzählt die Tierärztin.
Die Liebe der Araber zu den Greifvögeln mit den scharfen Schnäbeln und einer Spannweite von oft mehr als einem Meter reicht weit zurück in eine Zeit, in der in den ölreichen Golfstaaten noch keine Wolkenkratzer in den Himmel ragten. Vor 60 Jahren war die heute boomende Millionenstadt Abu Dhabi nichts als ein Dorf, in der Wüste lebten Beduinen ohne Strom oder fließendes Wasser.
Die Falken setzten sie zur Jagd ein und sicherten damit das Überleben der Familie. „Aus diesem Grund wird der Falke auch bis heute nicht als Sportgerät angesehen, sondern ist integraler Teil der Familie“, sagt Müller.
Jedes Jahr behandeln drei Tierärzte und viele weitere Assistenten in der Klinik mehr als 11000 Falken aus der Golfregion. Die eingelieferten Raubvögel litten unter Flügelbrüchen, hätten aber auch Infektionskrankheiten oder müssten nur die Klauen gestutzt bekommen, erzählt Müller.
Es seien zwar kräftige, aber eben auch sensible Tiere. Um zu verhindern, dass sie sich schrill schreiend gegenseitig angreifen, bekommen sie im Behandlungsraum Augenklappen aufgesetzt. Ist ihr wichtigstes Sinnesorgan dann ausgeschaltet, können die Raubtiere auch zu Dutzenden friedlich nebeneinander auf Stangen sitzen.
An normalen Tagen drängen sich Falken im Wert von einigen Millionen Euro in dem Krankenhaus. Besonders prächtig sind natürlich die Vögel des Königshauses. Wenn einer von ihnen krank ist, erkundige sich der Palast jeden Tag nach dem Zustand. Dabei gebe es preislich große Unterschiede bei den Tieren, erklärt eine Anästhesistin: „Das ist ganz abhängig von Größe und Art. Es fängt bei 5000 Dirham an, kann aber bis zu 500000 hochgehen.“Das sind mehr als 110000 Euro. Falken sind am Golf eben nicht nur Haustiere, sondern auch Statussymbole.
In der Eingangshalle der Klinik hängt ein Bild, das Margit Müller mit Kronprinz Mohammed bin Zayed zeigt. Er überreicht der Deutschen darauf den „Abu Dhabi Award“, den höchsten zivilen Preis des Emirats. „Das war, glaub’ ich, der beste Moment in meinem Leben“, erinnert sie sich.