Hamburger Morgenpost

Der Mörder kündigte ihren Tod an

Immer wieder wurde Sandra P. (34) vom Ex bedroht

- Von MAX WEINHOLD, RÜDIGER GAERTNER UND SANDRA SCHÄFER

Der grausame Doppelmord an Sandra P. (34) und ihrer Tochter Miriam (1) am Jungfernst­ieg erschütter­t Hamburg. Hätte das Blutbad verhindert werden können? Sandra P. hatte ihren ExFreund Mourtala M. (33) im Januar wegen Bedrohung angezeigt. Und der drohte ihr darauf umso drastische­r: „Ich werde unsere Tochter töten – und danach dich!“ Die Tat macht fassungslo­s, keiner kann so recht glauben, was am Donnerstag­vormittag am S-Bahnsteig Jungfernst­ieg geschah. Gestern begann die Aufarbeitu­ng der Horror-Tat – und auch der genaue Ablauf kann rekonstrui­ert werden: Nach MOPO-Informatio­nen treffen sich Sandra P. und Mourtala M. durch Zufall am S-Bahnsteig Stadthausb­rücke.

Der Nigrer, der seit 2013 in Hamburg lebt, steigt an dieser Station zu. Er bemerkt, dass seine frühere Liebe in Beglei

tung eines anderen Mannes ist. Sandra P.s neuer Freund, mit dem sie seit etwa einem halben Jahr zusammen ist, und ihrem dreijährig­en Sohn (3).

Mourtala M. kann das offenbar nicht ertragen – besonders vor dem Hintergrun­d des Sorgerecht­sstreites, der zwischen ihm und der Mutter der gemeinsame­n Tochter Miriam schwelt. Ein Streit beginnt. Zunächst nur verbal, doch dabei bleibt es nicht: Um 10.50 Uhr steigen Sandra P. und ihr Begleiter – beide mit einem Kinderwage­n – am Jungfernst­ieg aus, Mourtala M. folgt ihnen. Sie streiten lautstark weiter, dann zückt Mourtala M. ein Messer und stich mehrfach mit voller Wucht auf seine Ex-Frau ein.

Als nächstes stürzt er sich auf einen der beiden Buggys. Darin liegt die einjährige Miriam. Er rammt dem Baby das Messer in den Hals, will ihm offenbar die Kehle durchschne­iden. Am Bahnhof bricht Panik aus, nach kurzer Flucht wird der Tatverdäch­tige auf einer nahen Bank gefasst – er hatte selbst die Polizei gerufen. Sandra P.s Begleiter flüchtet ebenfalls, lässt den dreijährig­en Jungen einfach auf dem Bahnsteig stehen.

Mourtala M. sitzt seit gestern Mittag in U-Haft, die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen Mordes. Doch soweit hätte es vielleicht niemals kommen müssen. Mourtala M. kommt 2013 aus dem Niger nach Hamburg. Er gehört zur Lampedusa-Gruppe, der die St. Pauli-Kirche Asyl gewährt. Er nimmt kaum an Veranstalt­ungen teil, Bekannte beschreibe­n ihn als zurückhalt­end. „Seit 2016 ist er nicht mehr zu uns gekommen“, sagt Ahmed Ali, Sprecher der Gruppe. Hin und wieder sei man sich noch begegnet. „Er ging manchmal in die Disco, lernte eine Frau kennen“, sagt Ali.

Es ist Sandra P.: Schon bald zieht Mourtala M. zu P. und ihren vier Kindern (15, 7, 6, 3) in ein Reihenhaus in Billstedt. Drei Monate sind sie ein Paar, dann folgt die Trennung. „Mourtala hat mit anderen Frauen geschriebe­n“, erzählt Nachbarsju­nge Berkan (15). „Das hat Sandra nicht gefallen.“

Sie trennen sich. Drei Monate später stellt sich raus: Die Frau ist schwanger. Erst als die kleine Miriam geboren ist, erfährt Mourtala M. davon. Er will das Kind sehen – gegen P.s Willen. Immer wieder taucht er an P.s Wohnung auf. „Er hat randaliert, Fenster und Glastüren zertrümmer­t“, sagt Yilmaz. „Einmal schrie er auf Englisch: ,Du Schlampe, ich werde dich und deine Tochter umbringen‘. Sandra hat uns auch einen Chat mit Morddrohun­gen gezeigt, damit war sie bei der Polizei.“

Im Januar erstattet Sandra P. Anzeige wegen Bedrohung. „Die Polizei hielt dem Mann eine Gefährdera­nsprache“, erklärt Oberstaats­anwältin Nana Frombach. „Er durfte sich ihrem Wohnhaus nicht mehr annähern.“Die Akten des Verfahrens liegen bis einen Tag vor der Tat bei den Anwälten von Sandra und Mourtala, die Ermittlung­en pausieren daher.

Mourtala kämpft parallel weiter um ein gemeinsame­s Sorgerecht. „Ich habe ihn noch vor einer Woche getroffen“, sagt Nuhu Abdul aus der Lampedusa-Gruppe. „Er war sehr wütend wegen des Kindes.“Bis zuletzt darf er seine Tochter einmal pro Woche im Jugendamt sehen.

Am Mittwoch scheint nach einer Anhörung klar: der 33Jährige würde vor Gericht verlieren – und damit vermutlich auch die Chance auf eine dauerhafte Aufenthalt­sgenehmigu­ng. Einen Tag später sticht Mourtala M. zu. „Sandra war so eine starke Frau und immer für ihre Kinder da“, sagt Berkan, der beste Freund ihres ältesten Sohnes. „Wir sind unfassbar geschockt“, sagt Flüchtling­ssprecher Ali Ahmed.

Einmal schrie er auf Englisch: ,Du Schlampe, ich werde euch umbringen!‘ Nachbar Berkan Yilmaz

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 ?? ?? Sandra P. († 34) hinterläss­t vier Kinder. Ihre Nachbarn beschreibe­n sie als „starke Frau, die alles für ihre Kinder tat“. Sie habe sich nicht einschücht­ern lassen.
Sandra P. († 34) hinterläss­t vier Kinder. Ihre Nachbarn beschreibe­n sie als „starke Frau, die alles für ihre Kinder tat“. Sie habe sich nicht einschücht­ern lassen.
 ?? ?? Der Bahnhof Jungfernst­ieg nach der Bluttat am Donnerstag: Notärzte und Rettungsas­sistenten kämpfen vergeblich um das Leben von Mutter und Tochter.
Der Bahnhof Jungfernst­ieg nach der Bluttat am Donnerstag: Notärzte und Rettungsas­sistenten kämpfen vergeblich um das Leben von Mutter und Tochter.
 ?? ?? Mourtala M. (33) – mehrfach bedrohte er seine Ex-Freundin Sandra P. mit dem Tod. Ihm wurde behördlich untersagt, sich ihrem Haus zu nähern. Am Donnerstag erstach der Flüchtling sie und seine eigene Tochter.
Mourtala M. (33) – mehrfach bedrohte er seine Ex-Freundin Sandra P. mit dem Tod. Ihm wurde behördlich untersagt, sich ihrem Haus zu nähern. Am Donnerstag erstach der Flüchtling sie und seine eigene Tochter.
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Nachbarin Emel Yilmaz (34, r.) und Sohn Berkan (15) sind geschockt.

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