„Die Situation des HSV berührt mich wenig“
MOPO-Besuch beim einstigen Dino-Retter, der jetzt Gegner Wolfsburg trainiert
Ein Trainer sollte auch ein guter Schauspieler sein. Weil er seine Gefühle nicht immer offen zeigen darf. Er muss Stärke und Zuversicht ausstrahlen, Identifikation zeigen. Drei Spieltage vor dem Ende dieser Bundesliga-Saison weiß das niemand besser als Bruno Labbadia. Donnerstag, 12.31 Uhr. Der Trainer des VfL Wolfsburg betritt den Presseraum der Volkswagen-Arena. Er weiß, welche Fragen jetzt gestellt werden. Ob ihn das Schicksal des HSV mitnehme? Ob es ihn vielleicht sogar quäle, dass ausgerechnet er mit einem Sieg morgen den Sargnagel einschlagen könne?
Labbadia lächelt, schüttelt kurz mit dem Kopf. „Ich habe ja eine gewisse Erfahrung. Und ich habe mir angeeignet, dass ich mich der Aufgabe verschreibe, die ich lösen muss. Mit allem, was ich habe“, sagt er im Gespräch mit der MOPO. „Da bin ich total fokussiert.“
Klar, den HSV trägt er weiter im Herzen. Daraus macht Labbadia auch kein Geheimnis. „Ich hatte in diesem Verein eine schöne Zeit. Aber das kann ich trennen. Da habe ich Abstand gewonnen. Das ist abgehakt.“Kaum zu glauben. Oder?
Rückblende: Mitte April 2015 ist der HSV mal wieder Letzter, sechs Spiele sind es noch, die Situation scheint aussichtslos. Labbadia nimmt den Job an, „weil ich eine große emotionale Verbundenheit spüre“, wie er damals betonte. Unter seiner Regie holt das Team zehn von 18 Punkten, rettet sich in die Relegation und hält dort in einem weiteren Kraftakt gegen Karlsruhe die Klasse.
Die Augen funkeln, als Labbadia gestern im VfLPresseraum daran erinnert wird. Aber er beißt sich auf die Lippen. „Das spielt jetzt für mich keine Rolle. Natürlich freue ich mich darauf, den einen oder anderen wiederzusehen, mit dem ich gern zusammengearbeitet und viel Spaß gehabt habe“, erklärt er, „wenn ich da nur
an den Zeugwart Miro Zadach denke.“
Es wirkt so, als würde er jetzt doch gern seinen Erinnerungen freien Lauf lassen, die alten Geschichten erzählen. Kein Wunder, die HSV-Rettung war sein Meisterstück.
Doch Labbadia bremst sich. „Dazu ist jetzt alles gesagt“, wehrt er weitere Fragen zu seiner Hamburger Vergangenheit ab. Sogar die Gedanken daran verbietet er sich. „Ich lasse so gut wie nichts an mich heran. In welcher Situation der HSV ist, berührt mich wenig, das zieht an mir vorbei. Weil die Konzentration voll und ganz auf meiner Mannschaft liegt.“
Die Konstellation in der Tabelle lässt nichts anderes zu. Wolfsburg hängt selbst im Tabellenkeller, Labbadia muss wieder in die Rolle des Retters schlüpfen. Fünf Punkte Vorsprung hat der VfL auf den HSV, diesen gilt es auszubauen oder zumindest zu wahren. „Es liegt an uns, sie auf Distanz zu halten“, sagt der Trainer. Labbadia weiß genau, warum man im Volkspark nach zwei Siegen aus den letzten drei Spielen plötzlich wieder träumt: „Das kenne ich ja aus eigener Erfahrung. Wenn dich alle abgeschrieben haben und dir keiner mehr etwas zutraut, dann fällt der Druck ab. Es bringt dir mehr Lockerheit, mehr Freiheit. Das erlebt gerade der HSV.“
Der „Hamburger des Jahres 2015“hat nun genug geplaudert über Vergangenes und Aktuelles. „Ich muss zu meiner Mannschaft“, sagt Labbadia, er freue sich jetzt auf die Arbeit auf dem Platz. Zwei Tage vor dem Duell mit „seinem“HSV hat der Trainer diesen Auftritt vor den Reportern souverän gemeistert. Und gezeigt, was für ein guter Schauspieler er ist.
Ich hatte beim HSV eine schöne Zeit. Aber ich habe Abstand gewonnen. Bruno Labbadia